Büroflächen umwandeln – der Weg aus der Wohnungsnot?
Die Mieten- und Kaufpreise befinden sich in Deutschland seit einigen Jahren in einer Dauerspirale nach oben, es gibt immer weniger Sozialwohnungen – ist eine Umwandlung von Büroflächen die Lösung? Der Deutsche Mieterbund und andere Organisationen möchten die Bundesregierung mit ihrer Initiative “Soziales Wohnen” und einem Forderungspapier davon überzeugen.
In München muss eine Einzelperson, die maximal 30 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten aufbringen möchte, jährlich mindestens 105.000 Euro brutto verdienen. In der Studentenstadt Heidelberg sind es rund 70.000 Euro und auch in vielen anderen Städten ist die Lage nicht entspannter. Diese Daten hat FOCUS online Januar 2021 ermittelt. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) aus dem Jahr 2020 ergab, dass in Deutschland mit dem Erwerb eines Eigenheims im Vergleich zum Wohnen zur Miete knapp 50 Prozent der Kosten gespart werden können. Dies treibt natürlich auch bei den Kaufimmobilien die Preise in die Höhe – und es gibt nur noch wenig Wohnraum für finanziell weniger gut abgesicherte Personen: insbesondere, da auch die Bundesregierung mit dem 2018 im Rahmen der Wohnraumoffensive versprochenen Neubau von 1,5 Millionen Wohnungen nicht hinterherkommt.
Kritik an der Bundesregierung – Büroflächen die Lösung?
Es ist also nicht verwunderlich, dass anlässlich der Bilanzierung der Wohnraumoffensive am 23. Februar 2021 viel Kritik auf die Bundesregierung einströmt: Sowohl von Seiten der Mieter- als auch der Eigentümerverbände wie etwa Haus & Grund.
Der Deutsche Mieterbund (DMB), die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, die Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt (IG Bau), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) und der Deutsche Baustoff-Fachhandel (BDB) haben die Initiative “Soziales Wohnen” gegründet und stellen in ihrem “Akutplan 2025 für soziales und bezahlbares Wohnen” Forderungen an die Bundesregierung. So erklärt Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG Bau in den Pressestatements der Initiative, dass in Deutschland aus verschiedenen Gründen alle 12 Minuten eine Sozialwohnung verschwindet und deswegen unbedingt gehandelt werden müsse.
Die Initiative schlägt vor, Büroflächen, die nach der Pandemie nicht weiterhin als solche genutzt werden, in Wohnraum umzuwandeln. Es könne dann aber “nicht sein, dass Büros in attraktiven Innenstadtlagen durchweg zu Luxus-Citylofts umgebaut werden”, so der DMB in einer Pressemitteilung.
Studien ergeben: Potenzial für 235.000 Wohnungen
Dieser Vorschlag rührt daher, dass viele Unternehmen momentan darüber nachdenken, vermehrt auf Home-Office umzusteigen, wodurch weniger Büroflächen benötigt würden. “Soziales Wohnen” hat beim Pesten-Institut (Hannover) und beim schleswig-holsteinischen Bauforschungsinstitut ARGE für zeitgemäßen Bau eine Studie in Auftrag gegeben, die im Februar präsentiert wurde. Die beiden Institute sehen auf ihren Nachforschungen und Rechnungen basierend in freien Wohnflächen bis 2025 Potenzial für 235.000 “Ex-Büro-Wohnungen”. Der Umbau könnte dabei sogar deutlich günstiger sein als der Neubau von Eigentumswohnungen – und das trotz guten Wohnlagen.
Wären die Umbauten tatsächlich als Sozialwohnungen geeignet?
Natürlich muss sich gefragt werden, wie viele Büros tatsächlich auch nach der Pandemie leer stehen bleiben und wo diese Büros liegen. Schließlich ist in vielen Industrie- und Gewerbegebieten der Wohnungsbau unzulässig, außerdem muss die Infrastruktur zumindest in ihren grundlegenden Aspekten denen eines Wohngebiets entsprechen. Weitere Probleme könnten mit Schall-, Brand- und Denkmalschutz, Barrierefreiheit, Fahrzeugstellplätzen, der Energieversorgung und der Einhaltung von Abstandsflächen zwischen den einzelnen Häusern und möglicherweise anzubauenden Balkonen entstehen, wie FOCUS online erklärt. Es könne deswegen notwendig werden, bei den Städten neue Bebauungspläne anzufordern, was eine schnelle Umsetzung des Projekts beeinträchtigen würde.
Zudem wurden die entsprechenden Büroimmobilien aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit dem Gedanken gebaut, dass dort einmal Wohnungen entstehen könnten – deswegen würden beim Umbau vermutlich viele ungenutzte Flächen entstehen, was mit den oben genannten Hürden den Quadratmeterpreis in die Höhe triebe.
FOCUS online argumentiert dennoch, dass sich der Bau lohnen würde: Wenn wohlhabendere Personen in die umgebauten Immobilien zögen, könnten finanziell weniger gut abgesicherte Personen bessere Chancen erhalten, in bereits existierende, gute Wohnungen nachzurücken.
Fünf konkrete Forderungen an die Bundesregierung
Auch die Initiative “Soziales Wohnen” ist der Ansicht, dass die Umbauten in keinem Fall schaden würden – Lukas Siebenkotten, DMB-Präsident, positioniert sich aber trotzdem in einem Interview mit dem Morgenmagazin (Das Erste) dahingehend, an Investoren zu appellieren. Diese sollten seiner Ansicht zufolge dazu bewegt werden, vermehrt bezahlbare Wohnflächen zu fördern.
“Soziales Wohnen” stellt an die Bundesregierung nicht nur die Forderung, den Umbau ungenutzter Büroflächen voranzubringen, sondern führt in einem Forderungspapier die folgenden fünf Punkte an: Die Sicherung von zwei Millionen Sozialwohnungen bis 2030, die gezielte Neubauförderung von 60.000 Wohnungen jährlich (insbesondere in Ballungszentren), die Bereitstellung von Bauland für Sozialwohnungen, die “ausreichende” Bereitstellung sozialen, barrierefreien, bezahlbaren Wohnraums sowie die Vereinfachung des Umbaus von Gebäuden zum sozialen und barrierefreien Wohnen.
In seinem Interview mit dem Morgenmagazin erklärt Siebenkotten stellvertretend für die gesamte Initiative abschließend, dass sie von der Bundesregierung nicht zwangsweise Gesetzte verlangen, sondern vielmehr, dass erleichternde Rahmenbedingungen geschaffen und Investoren motiviert werden.
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