Corona-Krise trifft New Yorker Immobilienmarkt härter als 9/11 und Finanzkrise
Aktuell hat der New Yorker Immobilienmarkt mit starken Einbrüchen zu kämpfen. In Zeiten der Corona-Krise scheuen sich viele Kunden vor Kaufentscheidungen, die Folgen sind enorme Preiseinbrüche und Nachfragerückgänge in der Immobilienbranche.
In der Vergangenheit hatte New York schon öfter mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen. Trotzdem galt der Immobilienmarkt immer als relativ robust in Krisenzeiten, zumindest um einiges stabiler als Aktien- oder Anleihenmärkte. So fielen die Immobilienpreise auch bei großen Katastrophen, wie zum Beispiel die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise 2008 immer nur um maximal 25 Prozent. In Zeiten der Corona-Krise verzeichnet der Immobilienmarkt nun aber wesentlich schlechteren Werte
Laut UrbanDigs, ein Immobiliendaten-Unternehmen in NYC, sanken die Hausverkäufe in Manhattan zwischen dem 23. März und dem 16. August um 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch gravierender ist der Unterschied bei höherpreisigen Wohnungen: Der Verkaufsumsatz von Immobilien mit einem Preis von mehr als 4 Millionen US-Dollar fiel im Vergleich zum Vorjahr sogar um 67 Prozent. Die Neuzulassungen reduzierten sich dabei um 21 Prozent, bei Immobilien zu Preisen von mehr als vier Millionen US-Dollar sogar um fast 35 Prozent.
Auch das amerikanische Immobilienunternehmen Douglas Elliman beschreibt ähnliche Tendenzen zu Beginn der Pandemie: In Folge der Corona-Krise fiel der Durchschnittspreis für eine Wohnung in Manhattan im März auf 1,9 Millionen Dollar. Laut der Firma sanken die Preise von Luxusimmobilien im zweiten Quartal daher um ganze 11 Prozent.
Schon im dritten Quartal von 2019 berichtet die Financial Times unter Berufung auf Zahlen des Immobilienmakler-Unternehmens Core von Rückgängen bei Hausverkäufen in Manhattan: Im dritten Quartal ist der Median-Preis für Wohnungen in dieser Gegend um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Auch andere Makler-Unternehmen verlauten enorme Preiseinbrüche, die aus sinkender Nachfrage und gleichzeitig steigendem Angebot von Luxus-Wohnungen resultieren.
Ganz unvorbereitet treffen die aktuellen Entwicklungen in New York die Immobilien-Branche daher nicht: „Seit langer Zeit rechnen hier alle mit dem großen Knall“, erzählt Sebastian Steinau gegenüber WELT, „jetzt ist er da“. Der Makler für Luxusimmobilien in New York beobachtet hohen Preisnachlässe in der ganzen Stadt, von der Upper East Side bis hin zum Central Park. „New York“, meint Steinau, „ist für Käufer gerade ein Paradies.“
Die Gründe für diese enormen Preis- und Nachfragerückgänge sind zahlreich:
Zum einen sind die Möglichkeiten der Immobilienmakler in der Corona-Krise deutlich eingeschränkt: So war es den Maklern untersagt, den Kunden die Immobilien persönlich zu zeigen; es musste auf virtuelle Führungen umgestiegen werden. Diese seien jedoch laut den meisten Agenten nur begrenzt zufriedenstellend und nicht von gleichem Wert wie Live-Rundgänge.
Auch das Verhältnis der Immobilienmakler zu den Kunden ist laut Ran Korolik, Partner des Immobilienmanagement-Unternehmens Victor Group, durch die aktuelle Situation stark angeschlagen. Denn bei Kontaktaufnahme zu potenziellen Abnehmern sind Agenten nicht über die aktuelle Lebenssituation der Menschen in dieser schwierigen Zeit informiert: „Sie wissen nicht, wer gestorben ist oder wie die Menschen von der Situation betroffen waren. Vielleicht hat ihr Kunde dieses Jahr kein Gehalt bekommen“, erklärt Korolik gegenüber Mansion Global.
Ein weiterer Grund für Nachfragerückgänge und Preiseinbrüche in der Immobilienbranche ist die allgemeine Unsicherheit der Menschen in der Corona-Krise: Kurzarbeit und steigende Arbeitslosigkeit prägen die aktuelle Zeit und hindern viele potentielle Kunden daran, Kaufentscheidungen zu treffen. „Was hier gerade geschieht, habe ich in meinen 20 Jahren als Makler noch nie erlebt“, erzählt Frederick Peters, Geschäftsführer der Immobilienagentur Warburg Realty in New York der WELT. „Der Markt zeigt, dass alle Angst vor der Zukunft haben.“
Denn was die Zukunft bringt, weiß keiner so genau. „Es könnte sein, dass sich die Art, wie die Menschen hier leben, dauerhaft verändert“, sagt Immobilienmakler Steinau. Der Experte vermutet, dass niedrigere Gebäude in Zukunft beliebter werden und die Nachfrage nach Wohnungen in hohen Wolkenkratzern in New York abflacht. Volle Kabinen in Aufzügen und gemeinschaftliche Dachterrassen könnten die Menschen auch nach der Pandemie immer noch abschrecken, der Wunsch bei den Kunden nach mehr Abstand und getrennten Bereichen werde dem Makler zufolge stärker denn je sein.
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