Der Mythos des Mieterparadieses Wien – eine Studie klärt auf
Das Wiener Mietsystem – ein Segen für Mieter? Dauerhaft günstige Mieten? Eine Studie geht dem Mythos des Wiener Mieterparadieses auf den Grund und deckt auf, welche versteckten Kosten sich hinter günstigen Kaltmieten in Österreichs Hauptstadt verbergen.
Das Wiener Mietsystem
Von außen betrachtet scheint Wien ein Mieterparadies darzustellen, circa 25 Prozent aller Wohnungen gehören der Stadt und werden auch von dieser vermietet. Die Mietpreise sind zudem klar geregelt.
Die von der Stadt erwirtschafteten Mieteinnahmen werden postwendend in weitere Wohnprojekte investiert. Sozialwohnungen bleiben in Wien zudem kostengünstig, also anders als in Deutschland, hier steigen auch jene Mietpreise nach zehn oder zwanzig Jahren. So vermittelt die Stadt 50 Prozent all ihrer Wohnungen an bedürftige Familien, die nur über ein äußerst begrenztes Einkommen verfügen.
Der ursprüngliche Grund, weshalb Wien den Anschein vermittelt, ein Paradies für Mieter zu sein, ist eine Bauphase zwischen 1923 und 1934. In diesem Zeitraum nach dem Ersten Weltkrieg förderte die Stadt den sozialen Wohnungsbau immens, so entstanden kostengünstige Wohnungen für circa 220.000 Einwohner, welche heute noch von der Stadt instand gehalten und vermittelt werden.
Geblendet vom Mythos
So hat sich in Deutschland der Mythos verbreitet, dass Wien ein ideales Vorbild für deutsche Großstädte widerspiegelt. Doch Studien haben ermittelt, wie es sich tatsächlich auf dem Wiener Wohnungsmarkt verhält. In Realität sind Mieter in Wien oftmals deutlich schlechter aufgehoben als in Deutschland.
So klärt eine Untersuchung der Bundesgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland und des Empirica Instituts darüber auf, wie der Wiener Immobilienmarkt tatsächlich aufgestellt ist. Die Studie stellt im Endergebnis heraus, dass Wien in keinster Weise als Vorbild für deutsche Städte dienen könne.
Denn München sei die einzige deutsche Stadt, in welcher mehr für die Kaltmiete bezahlt werden muss, als in Wien. Auch die Nebenkosten sind in Österreichs Hauptstadt bedeutend teurer als in Deutschland, so müssen Mieter deutlich mehr Pflichten nachkommen, zu welchen häufig teure Renovierungen zählen. Zudem haben Wiener Mieter kaum Sicherheiten bezüglich des Mietverhältnisses.
Wie die Studienautoren wissen lassen, glaubt die Mehrheit der Wiener jedoch weiterhin an den Mythos der günstigen Mietpreise. Hierdurch seien sie blind für immer mehr Kostentreiber geworden.
Kein System, keine Transparenz, hohe Zusatzkosten
Die Studie erläutert, der Wiener Wohnungsmarkt bestehe aus vier verschiedenen Bereichen, „wobei die rechtlichen Unterschiede als auch die Marktergebnisse zwischen den Teilmärkten sehr groß sind“. Von daher gibt es die berüchtigte Wiener Wohnungspolitik laut Studie nicht.
So können durch gewisse Zuschläge die Kaltmieten ohne Probleme verdoppelt werden, denn „das System der Ab- und Zuschläge [hat sich] in den letzten Jahrzehnten soweit verkompliziert […], dass die zulässige Höhe der Miete für eine Wohnung heute schlicht unbekannt ist“, verbalisieren die Autoren der Untersuchung.
Zudem leben viele Wiener in andauernder Angst, auf die Straße gesetzt zu werden, denn privat vermieteten Wohnungen unterliegt meist eine Vertragslaufzeit von nur drei Jahren, welche in den meisten Fällen auch nur befristet verlängert werden kann.
Die Kosten werden zusätzlich durch hohe Beteiligungen an Renovierungsarbeiten in die Höhe getrieben, so zählt es zu den Pflichten des Mieters „sämtliche Investitionen für alle Teile der Wohnung, die er berühren kann“, zu zahlen. Dementsprechend ist der Vermieter lediglich verantwortlich, die Instandhaltung von Dächern, Gemäuer und Wänden zu garantieren.
Werden all jene Aspekte berücksichtigt, sollten die relativ günstigen Kaltmieten nicht mehr über die eigentlichen Kosten hinwegtäuschen können. „Im Ergebnis ist das Wiener Mietsystem nicht zu empfehlen. Es ist teuer, unsicher, streitanfällig, bürokratisch, intransparent und ungerecht aus Sicht sozial schwacher Mieter, ohne dass die Wohnkosten in Wien niedriger wären als in deutschen Metropolen“, heißt es abschließend in der Studie.
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