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Enteignung: Eine Sozialpflicht oder Einschränkung der Grundrechte?

Die Frage, ob Enteignung die Lösung im Kampf gegen die Wohnungsnot in Deutschland ist, steht schon lange zur Diskussion. Doch wie sieht die rechtliche Grundlage aus und was darf der Staat eigentlich und was wiederum nicht?

Enteignung als Sozialpflicht

Im Grundgesetz ist das Thema der Enteignung klar geregelt. Laut Artikel 14 Absatz 2 sind Enteignungen ausdrücklich erlaubt, jedoch nur, wenn sie „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Im Klartext bedeutet dies, dass es zwar eine gesetzliche Regelung gibt, aber in den meisten Fällen individuell entschieden werden muss, ob eine Enteignung nun rechtens ist oder eben nicht. Tritt der Fall ein, muss der ehemalige Eigentümer eine entsprechende Entschädigung erhalten. Diese ist aber, wie es in der Verfassung heißt, „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen“. Somit kann die Ausgleichszahlung auch unter dem aktuellen Marktwert liegen und dem Betroffenen bleibt nur die Möglichkeit, die Zahlung zu akzeptieren oder vor Gericht zu klagen. Im Allgemeinen wird das Eigentum abweichend gehandhabt, denn anders als die meisten Grundrechte kann es nicht nur durch allgemeine Gesetze beschränkt werden und es ist dem Bundestag überlassen, den genauen Inhalt des Eigentums festzulegen. Dieses Recht wird in Absatz 1 des Grundgesetztes festgehalten und in Absatz 2 mit der Sozialpflicht „sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ ergänzt.

Eine Einschränkung der Grundrechte

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, bekräftigte Anfang des Jahres gegenüber „Die Welt“, dass eine Enteignung zwar möglich sei, wenn der Staat ein Gut zwingend für eine bestimmte Gemeinwohlaufgabe benötige. Jedoch muss jede Einschränkung von Grundrechten an dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gemessen werden, also bestimmt werden, ob der Eingriff notwendig und verhältnismäßig ist. Anders ist es bei der „klassischen Enteignung“ nach Artikel 14, Abs. 3 GG. Wenn beispielsweise Straßen zur öffentlichen Nutzung gebaut werden sollen, darf grundsätzlich per Enteignung in das Grundrecht auf Eigentum eingegriffen werden, da es gesetzlich dem Allgemeinwohl zugutekommt. Es könnte also sein, dass dann die Eigentümer von angrenzenden Grundstücken enteignet werden. Dies darf allerdings nur geschehen, wenn die Enteignung auch wirklich dem Wohle der Allgemeinheit dient.

Vergesellschaftung durch das Gesetz

Das Grundgesetz beinhaltet zudem die Möglichkeit einer Vergesellschaftung ganzer Branchen, wie in Artikel 15 festgelegt ist:

„Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.“

Eine solche „Überführung in Gemeineigentum“ nach Artikel 15 dient dazu, den Staat selbst dauerhaft an die Stelle eines Unternehmers zu setzen und ihm damit mehr Handlungsspielraum zu gewähren. Dagegen soll eine Enteignung nach Artikel 14 lediglich in einzelnen Fällen ein Hindernis für das Interesse der Allgemeinheit aus dem Weg räumen. Artikel 15 sieht auch für die Vergesellschaftung eine Entschädigung vor. Wie hoch diese ist, muss gerecht zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten abgewogen werden. Im Streitfall kann die Höhe der Entschädigung auch von den Gerichten überprüft werden. Einige Juristen vertreten die Ansicht, dass die Höhe der Entschädigung sogar unter dem Marktwert der vergesellschafteten Güter liegen kann. Andere Juristen sehen das anders und fordern, so wie bei der Enteignung, eine marktwertgerechte Entschädigung.

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