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Finanz-Experte im Interview: Ängste vor Immobilienblase haben sich relativiert

Alljährlich findet in München die Expo Real – die größte Fachmesse für Immobilien und Investitionen in Europa – statt. Doch 2020 ist alles anders: Aufgrund der Corona-Pandemie wird die Messe am 14. und 15. Oktober in diesem Jahr das erste Mal online veranstaltet. Auf der sogenannten Expo Real Hybrid Summit treten allerhand Immobilienexperten und -finanziers in Kontakt miteinander und tauschen ihre Erfahrungen online aus. So auch Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender der Immobilienbank Berlin Hyp, der in einem Interview mit der Haufe-Group verrät, wie er die aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt in Zeiten der Corona-Krise einschätzt.

Büroplätze weiterhin wichtig

Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter mehr als 1.000 Bundesbürgern ab 16 Jahren zeigt, dass bereits im März 2020 rund 49 Prozent der befragten Berufstätigen ganz oder zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten. Auch die von dem Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) durchgeführte Befragung von 800 Personalleitern im zweiten Quartal ergab, dass aktuell circa 61 Prozent der Mitarbeiter zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiten – vor der Krise waren es nur 39 Prozent. Trotzdem ist Berlin Hyp-Finanzier Sascha Klaus der Meinung, dass sich das Arbeiten im Home-Office auf langfristige Zeit gesehen nicht durchsetzen wird: “Der direkte, persönliche Austausch unter Mitarbeitern kommt sonst zu kurz”, erklärt er gegenüber der Haufe-Group. Durchaus sei aber ein “Mix” der beiden Arbeitsweisen vorstellbar, beispielsweise drei Tage Arbeit im Büro und zwei Tage mobil.

Corona-Krise wird laut Experten keine Bankenkrise auslösen

Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts zufolge ist das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 11,3 Prozent gesunken. Nicht einmal während der Finanzkrise 2008/2009 hatte das BIP dermaßen hohe Einbrüche zu verzeichnen; der größte Rückgang wurde damals im zweiten Quartal von 2009 mit 7,9 Prozent notiert. Trotzdem kann die aktuelle Situation laut Klaus nicht mit der damaligen Bankenkrise verglichen werden. “Der grundlegende Unterschied zur Situation von vor gut zehn Jahren ist, dass nicht der Immobilienmarkt oder die Banken die Krise ausgelöst haben, sondern eine Pandemie”, betont der Experte in dem Interview. Aus seiner Sicht ist daher aktuell keine erneute Finanzkrise zu erwarten, denn die Immobilienbanken seien heutzutage viel stabiler aufgestellt als in der damaligen Zeit.

Das hat laut Klaus mehrere Gründe: Zum einen ist das Zinsniveau aktuell deutlich niedriger als in 2008. Das führt dazu, dass es für Investoren attraktiver wird, mehr Eigenkapital einzubringen. Außerdem sind Finanzierungen heutzutage “weit konservativer strukturiert als in der Finanzkrise”, daher deutlich risikoresistenter als in 2009. Das gilt für das Leihen von Geld, aber auch für die wesentlich höheren Liquiditätspuffer, die eine Bank zur Krisenbewältigung hütet. Außerdem zeigt die geringe Nachfrage nach Tilgungsmoratorien für die Finanzierung von Gewerbeimmobilien dem Experten zufolge, dass der Immobilienmarkt aktuell noch ziemlich stabil zu sein scheint.

Langfristige Auswirkungen der Corona- Krise auf die Immobilienbranche

Die jahrelangen Ängste vor Blasenbildungen auf dem Immobilienmarkt sind laut dem Berlin Hyp-Vorstand daher hinfällig. Denn die Branche hat sich seiner Meinung nach als “langfristiger Stabilitätsanker” erwiesen. Zwar wird das Transaktionsvolumen in der Immobilienbranche niedriger als in 2019, jedoch lange nicht so gering sein, wie befürchtet. Auch das langfristig stabile, niedrige Zinsniveau lässt risikoscheuen Investoren laut Sascha Klaus kaum eine andere Wahl als die Anlage in Immobilien. Denn auch die Immobilienpreise sind in den vergangenen vier Quartalen nicht wie erwartet gesunken, sondern im Durchschnitt weltweit sogar gestiegen. Einer Studie der Züricher Großbank UBS vom September 2020 zufolge sind Madrid, San Francisco, Dubai und Hongkong die einzigen Städte, die eine negative Preisentwicklung im Vergleich zum Vorjahr aufweisen. Alle anderen Städte haben gegenüber letztem Jahr eine Steigerung der Preise zu verzeichnen. Das letzte Mal, bei dem es weniger Städte mit sinkenden Preisen gab, war – den Angaben von UBS zufolge – im Jahr 2006.

Auswirkungen einer Insolvenzwelle auf den Immobilienmarkt

Zur Unterstützung der Unternehmen in der Krise hat die Bundesregierung Insolvenzen per Gesetz bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt. Dies gilt jedoch nur für Unternehmen, deren Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch die Pandemie hervorgerufen wurde und bei denen Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht. Experten befürchten nun eine Insolvenzwelle nach Ende dieser Bestimmungen, welche auch die Immobilienbranche wegen den daraus resultierenden fehlenden Mietzahlungen stark beeinflussen würde. Wie sehr die Immobilienbanken davon betroffen sein werden, hängt laut Berlin Hyp-Vorstand Sascha Klaus von der Struktur des jeweiligen Kreditportfolios ab. Dem Finanzexperten zufolge seien Finanzierungen von Einzelhandelsimmobilien dabei besonders gefährdet. Bei sogenannten Retailportfolien aus mehreren Einzelhandelsimmobilien ist ein “krisenresistenter Ankermieter”, daher ein Mieter mit hoher Kundenanziehungskraft, ein wichtiger Stabilitätsfaktor, um Finanzierungen zu sichern. Auch der Food-Sektor ist laut Klaus während der Corona-Krise mehr in den Vordergrund gerückt.

Notwendige Maßnahmen der Bundesregierung in Zeiten der Pandemie

Auch wenn Deutschland mit seinen Hilfspaketen laut dem Vorstandsvorsitzenden zu einer guten Krisenbewältigung beiträgt, darf die Verschuldung der Bundesregierung nicht außer Kontrolle geraten. Stattdessen rät der Experte die Rahmenbedingungen in der Immobilienbranche zu verbessern, um vor allem das Erreichen der Klimaziele attraktiver zu machen. Laut einer aktuellen Bekanntmachung der Bundesregierung Deutschland sind öffentliche und private Gebäude in Deutschland für 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs und 20 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Daher appelliert der Experte im Rahmen einer Agenda 2050 an eine Steigerung der Bestandssanierungsquote bei Gewerbeimmobilien von einem auf drei Prozent. “Ein Anreiz hierfür könnten attraktive Abschreibungsmöglichkeiten für solche Investitionen sein”, schlägt Klaus in dem Interview gegenüber der Haufe-Group vor.

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