Kommen in Hamburg bald niedrigere Immobilienpreise?
Als beliebte Großstadt gehört Hamburg zu den deutschen Städten mit besonders angespanntem Immobilienmarkt. Das macht sich auch bei den Mietpreisen bemerkbar, die Statista zufolge für eine Wohnung mit 70 Quadratmetern bei rund 900 Euro (kalt) liegen.
Angesichts der Krisen der letzten Jahre hat der Immobilienmarkt in Deutschland einigen Expertinnen und Experten zufolge jedoch einen Wendepunkt erreicht. Und so könnten die Kaufpreise für Immobilien in Hamburg bald drastisch sinken, während die Mietpreise hoch bleiben. Das Hamburger Abendblatt hat acht Faktoren aufgeschlüsselt, die für eine Entwicklung in diese Richtung sprechen.
Starker Anstieg von Energiekosten und Zinsen für Immobilienkredite
Zu den wichtigsten Faktoren gehören die um ein Vielfaches gestiegenen Zinsen für Immobilienfinanzierungen, die laut Interhyp Stand Herbst 2022 bei rund vier Prozent liegen und noch nie in so kurzer Zeit so schnell in die Höhe geschossen sind. Noch vor einem Jahr lagen die Zinsen bei knapp einem Prozent. “Wenn sich der Zinsanstieg verhärtet und die Zinsen noch weiter steigen, kann das für einen Preisrückgang sorgen, denn dann wird es auf breiter Front an Käufern fehlen“, so Michael Voigtländer gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Voigtländer ist Leiter des Kompetenzfeldes Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
Hinzu kommt der jüngste Anstieg der Energiepreise um bis zu 186 Prozent in nur einem Jahr, erläutert das Hamburger Abendblatt. Dies betreffe zwar nicht nur Käufer, doch haben Einfamilienhäuser in der Regel deutlich mehr Quadratmeter als etwa eine Mietwohnung – und dementsprechend auch mehr Fläche zum Heizen. Zitiert wird der Hamburger Ökonom Karl-Werner Hansmann. Es gebe bereits jetzt eine große Nachfrageschwäche, ausgelöst durch die gestiegenen Energiepreise. Damit seien auch die Chancen für lohnenswerte Preisverhandlungen gestiegen: Bis zu 20 Prozent Preisabschlag könne man aktuell beim Kauf eines Einfamilienhauses in Hamburg verhandeln.
Kommen Preisrückgänge von bis zu zehn Prozent?
Und so ließen sich bereits erste Preisrückgänge beobachten. Mit Verweis auf eine Empirica-Studie berichtet das Hamburger Abendblatt, dass Immobilien in Hamburg bereits 2,9 Prozent günstiger sind als noch im zweiten Quartal dieses Jahres – in Kreis Segeberg aus dem Umland seien es sogar bis zu zehn Prozent. Das bedeute aber noch keinen Preisrückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, da die Preise Ende 2021 noch einmal stark gestiegen seien. 2023 allerdings könne es Hansmann zufolge auch in der Stadt zu Preisrückgängen von bis zu zehn Prozent kommen. Die Entwicklung zeichnet sich Nachforschungen des Hamburger Abendblatts zufolge auch bereits in den Immobilienfinanzierungen ab: Während die Hamburgerinnen und Hamburger 2021 für den Immobilienkauf im Schnitt mit gut 472.100 Euro verschuldeten, seien es 2022 nur gut 444.100 Euro gewesen.
Der Staat mischt sich ein: Weniger Förderung, mehr Vorschriften
Ebenfalls für sinkende Immobilienpreise sprechen die entfallenen staatlichen Förderungen im Zusammenspiel mit neuen staatlichen Sanierungsauflagen: Weil die Förderprogramme der KfW-Bank nicht mehr beantragt werden können und Einzelmaßnahmen zur Sanierung nicht mehr so umfangreich gefördert werden wie zuvor, werden die Käufer laut Hamburger Abendblatt härter um die Kaufpreise verhandeln – schließlich lohnt sich eine Investition nicht, wenn ein Ende der Tilgungsraten kaum absehbar ist. Ein Haus zu kaufen und vergleichsweise wenig zu renovieren, bis wieder finanzieller Spielraum vorhanden ist, sei auch keine Option. Dies würde immer einen Wertverlust der Immobilie bedeuten – viel wichtiger aber noch: Die Bundesregierung schreibt schon jetzt bei der Sanierung von Heizungen bestimmte Maßnahmen vor. Ab 2025 kommen dann auch Vorschriften für das Anbringen einer Solaranlage hinzu, wenn das Dach vollständig erneuert wird.
„Bei älteren Einfamilienhäusern mit schlechter Energieeffizienz wird es deutliche Preisrückgänge geben, erst recht, wenn sie in Regionen stehen, wo man auf ein Auto angewiesen ist. Denn auch die Mobilitätskosten steigen“, so Voigtländer. Andreas Gnielka ist Geschäftsführender Immobilienmakler bei Grossmann & Berger und ergänzt: „Während die Preise für ältere und unsanierte Einfamilienhäuser aus dem Bestand zurückgehen dürften, erwarten wir für energieoptimierte Häuser und Wohnungen weiterhin leichte Preiszuwächse.“
Weniger Planungssicherheit – die Käufer investieren weniger
Gleichzeitig sprechen laut Hamburger Abendblatt auch die sinkende Zahl von Neubauten sowie “demografische Probleme” für einen Einbruch der Immobilienpreise. Hamburg habe in den vergangenen Jahren ein massives Bevölkerungswachstum erlebt, sodass die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner 2031 erstmals bei über zwei Millionen liegen soll. Zudem gebe es eine Reihe älterer Singles im Rentenalter, die sich nicht mehr an die neuen Standards auf dem Immobilienmarkt anpassen wollen – womit ihre Immobilien aufgrund ausbleibender Renovierungen einen Wertverlust erleiden werden. Gleichzeitig habe man in den vorherigen Jahren eine wachsende Differenz zwischen der Zahl an Baugenehmigungen und tatsächlichen Neubauten beobachten können: Die hohen Preise für Baumaterialien und der gestiegene Finanzierungszins beeinträchtige die Planungssicherheit stark, wodurch die Menschen nicht mehr so gewillt sind, viel Geld für Immobilien auszugeben.
Bewähren sich Immobilien auch 2023 als Betongold?
Nicht zuletzt spielt auch die hohe Inflation eine Rolle. Einerseits beeinflusst sie viele der obenstehenden Faktoren, andererseits galten Immobilien in Inflationszeiten und anderen Krisen als besonders sichere Anlageklasse – daher der Name “Betongold”. Aber: “Eine Inflation von zehn Prozent lässt sich durch keine Anlage ausgleichen“, sagt Hausmann. Zwar würden die Mieten aktuell wegen der Inflation stärker steigen als die Häuserpreise, wodurch Käufer ihren Immobilienkredit schneller abzahlen können. In der Vergangenheit jedoch seien die Immobilienpreise in Hamburg deutlich stärker gestiegen als die Kaltmieten, was diese Entwicklung relativiert.
Im Endeffekt sind auch die Expertinnen und Experten in ihren Prognosen noch uneinig darüber, wie sich die Immobilienpreise 2023 entwickeln werden. “Wir werden bald sehen, ob die Preise einbrechen oder ob es nur eine Delle wird”, so der Empirica-Vorsitzende Reiner Braun. Sicher ist, dass sowohl Investoren als auch Eigentümer den Markt in den nächsten Monaten aufmerksam beobachten sollten.
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