,

Scope: Die Gefahr eines unregulierten europäischen Immobilienmarkts

Die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Die richtige Zeit für regulatorische Eingriffe könnte gekommen sein.

Ein starker Anstieg der Immobilienpreise

Die Ratingagentur Scope machte in einer Pressemitteilung vom 23. April deutlich, dass die Hauspreise in Europa im Jahr 2020 so stark wie nie gestiegen sind. Die durchschnittliche Steigerung betrug demnach in den letzten zehn Jahren sechs Prozent, was das Doppelte der Jahresrate des letzten Jahrzehnts ausmacht.

Laut Scope besteht hierbei ein erhöhter Druck auf die Erschwinglichkeit und Rentabilität von Wohnraum, da die Haushaltseinkommen und Mieten nur leicht gestiegen sind.
„Da die wirtschaftlichen Eckdaten die Preissteigerung nur teilweise rechtfertigen, ist die Nachhaltigkeit dieser Wachstumsraten fraglich”, so Mathias Pleissner, Leiter des Covered-Bonds-Team von Scope.

Der Grund für die hohen Immobilienpreise

Doch warum sind die Immobilienpreise nun so deutlich gestiegen? Nach dem Forschungs- und Beratungsinstitut empirica sind Immobilien umso teurer, je begehrter sie sind. Die Begierde steigt demnach mit zunehmender Knappheit und Attraktivität. Die Kombination aus der Binnenwanderung in die Ballungsgebiete und der Attraktivität von Immobilien als Vermögensanlage, lassen die Immobilienpreise in die Höhe steigen.

Besonders die Verlangsamung der Bautätigkeit während der Pandemie und einkommensstarke Käufer, die bisher von Einkommensverlusten verschont blieben, können diesen Trend noch weiter beschleunigen.

Hohe Nachfrage und kaum Angebote

Die Vorgabe der europäischen Kommission, 35 Millionen europäische Gebäude bis 2030 zu renovieren kann laut Scope zu einer weiteren Verdrängung der Neubautätigkeiten führen.
„Die Kapazitäten von Bauunternehmen sind begrenzt. Dies könnte das Angebot an neuen Wohnraum weiter behindern”, so Reber Acar, Senior Analyst im Covered-Bonds-Team.

Auf Seiten der Nachfrage stehen die erhöhten Ersparnisse der Menschen aufgrund von weniger Konsumkäufen in Pandemiezeiten. Hier kann laut Scope durch verstärktes von zu Hause arbeiten ein stärkerer Nutzen im Besitz einer Immobilie gesehen werden.

Die nötige Mäßigung des Immobilienmarkts

Die Ratingagentur macht in ihrer Pressemitteilung deutlich, dass bereits vor der Pandemie in vielen europäischen Ländern die Immobilienpreise ihre nachhaltige Grenze erreicht haben. Zwar sind lockere regulatorische Maßnahmen und ein anhaltendes Niedrigzinsumfeld hilfreich für die Wirtschaft, allerdings kann dies auch unbeabsichtigte Folgen für den europäischen Immobilienmarkt haben. So kann sich z.B. das Wachstum über das nachhaltige Maß hinaus steigern.

Da das momentane Hauspreiswachstum nahe zehn Prozent liegt, sollte über Mäßigungen nachgedacht werden. Laut Scope haben hier z.B. zunehmende Insolvenzen und Arbeitslosigkeit das Potenzial, die Wachstumsraten der Immobilien zu reduzieren. Auch staatliche Einflüsse können als regulatorische Instrumente dienen.

Zudem muss auch ein Blick auf die Banken und Kreditnehmer geworfen werden. Kredite bleiben zwar günstig, das Bauen wird aber wegen der hohen Nachfrage immer teurer.
Laut Scope haben bisher nur wenige Banken ihre Kriterien für die Kreditvergabe geändert. In den meisten Ländern wurden die regulatorischen Maßnahmen sogar reduziert.
„Daher könnte dies der richtige Zeitpunkt für die Aufsichtsbehörden sein, proaktiv zu werden, sonst könnten Banken und Kreditnehmer auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn sich das Blatt wendet”, so Pleissner weiter.

Bildquellen: katjen / Shutterstock.com