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Straffere Zinspolitik drückt auf die Stimmung an den Immobilienmärkten

Angesichts der hohen Inflationsrate und einer zunehmend straffen Zinspolitik verhalten sich Investoren auf den Immobilienmärkten zurückhaltend. Expertinnen und Experten haben jedoch auch beruhigende Worte.

Investitionsentscheidungen werden zunehmend verschoben

“Die Wohnungsmärkte befinden sich im Spannungsfeld zwischen Inflation, Zinswende, Baukostensteigerung, realwirtschaftlichem Neubaubedarf und klimapolitischen Zielen. In dieser von Unsicherheit geprägten Phase sind einige Akteure vorsichtig und verschieben ihre Investitionsentscheidungen.” – Dies erklärt Michael Bender, Head of Residential bei JLL Germany in einer JLL-Pressemitteilung. Die EZB hat den Leitzins im Juli seit elf Jahren erstmals von 0 Prozent auf 0,5 Prozent angehoben und nun im September erneut auf 1,25 Prozent erhöht, die Inflationsrate im Euroraum lag im August bei 8,1 Prozent. Per Pressemitteilung kündigte die EZB Anfang September an: “Der EZB-Rat geht auf Grundlage seiner aktuellen Einschätzung davon aus, dass er die Zinsen in den nächsten Sitzungen weiter erhöht.” In den USA hat die Fed den Leitzins ebenfalls auf nun 2,25 bis 2,5 Prozent erhöht, der Verbraucherpreisindex liegt bei 8,3 Prozent.

Es sind so viele Variablen in Bewegung wie noch nie

Deswegen hat JLL Germany im ersten Halbjahr (H1) 2022 deutlich weniger große Abschlüsse verzeichnet als noch im Vorjahreszeitraum: Die fünf größten Abschlüsse im Bereich Wohnimmobilien hätten in H1 2021 30 Prozent des Transaktionsvolumens ausgemacht, im selben Zeitraum dieses Jahres seien es nur 16 Prozent, also nur etwa die Hälfte, gewesen. Eine ähnliche Zurückhaltung beobachtet auch die Beratungsfirma EY Real Estate im neuen Trendbarometer Immobilienanlagen der Assekuranz 2022: “Der nun seit 13 Jahren währende Trend steigender Immobilienquoten von Versicherungsunternehmen scheint sich also abzuschwächen”, heißt es in einer EY-Pressemitteilung – die Versicherungsunternehmen gehören zu den finanzkräftigsten Immobilieninvestoren. Weiter schreibt EY: “Erstmals löst zudem Nordamerika Europa als attraktivstes Investitionsziel ab.” Das liege insbesondere an der Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten aus Russland. Gegenüber Haufe erläutert Oliver Schweizer, Leiter des Immobiliensektors bei EY Deutschland, die Lage: “Es sind derzeit so viele Variablen in Bewegung wie noch nie.”  Angesichts Materialknappheit, Lieferproblemen, Fachkräftemangel und steigenden Finanzierungskosten würden viele Investitionen verschoben oder gar gestrichen. Nach Angaben der Nachrichtenseite schätzt die Immobilienberatung Colliers die Zahl der bis Ende 2022 neu gebauten Wohnungen auf 250.000 – anstatt der eigentlich geplanten 400.000.

Bundesanleihen drücken die Immobilienbewertungen

Ein weiterer Faktor ist die große Volatilität bei Bundesanleihen. Haufe zitiert Sebastian Schneider, Immobilienanalyst bei Bayern LB: “Die Anleihenmärkte sind sehr volatil, da Investoren stark verunsichert sind.” Seiner Einschätzung nach würden die starken Renditenausschläge auch in den kommenden Monaten andauern, solange die Folgen der Pandemie und des Kriegs in der Ukraine nicht überstanden sind. Ähnliches habe auch Timo Wagner, JLL-Finanzexperte, geäußert. So sei das Beben an den Anleihemärkten auch für eine Bewegung der Bauzinsen verantwortlich. Diese hätten sich für zehnjährige Finanzierungen in den letzten Monaten mehr als verdreifacht. JLL erklärt in seiner Pressemitteilung eine weitere Auswirkung der gestiegenen Renditen bei Bundesanleihen: Man könne bereits erste Preiskorrekturen am Immobilienmarkt beobachten, da die höheren Renditen die Immobilienbewertungen negativ beeinflussen.

Ein Einbruch ist noch nicht absehbar, stattdessen normalisiert sich der Markt

Doch die Expertinnen und Experten haben auch gute Nachrichten. So rechnet die EZB für 2023 mit einer sinkenden Inflationsrate, JLL konstatiert, dass der Markt insgesamt weiterhin sehr liquide sei und außerdem insbesondere die ausländischen Käufer auch 2022 sehr an deutschen Immobilien interessiert seien. Haufe zitiert Matthias Barthauer von JLL mit den Worten, dass Immobilieninvestments zwar gegenüber Staatsanleihen an Attraktivität verloren hätten, die Investoren dafür aber besser gegen Inflationsfolgen geschützt seien und Mietverträge bei Gewerbeimmobilien zudem meist eine Inflationsindexierung vorsähen. Weiter zitiert Haufe Katharina Heid von Heid Immobilien: “Mit der Inflation steigen in der Regel auch die Mieten.” Die höheren Mieteinnahmen könne man wunderbar für die Umsetzung von Sondertilgungen verwenden. Und obwohl das Transaktionsvolumen für Wohnimmobilien im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach Angaben von Professor Steffen Sebastian (Universität Regensburg) um ein Drittel gesunken sei, habe Peter Axmann von der Hamburg Commercial Bank (HCOB) gegenüber Haufe angesichts des sich verändernden Immobilienmarkts erklärt: “Das ist kein Einbruch, die Marktsituation normalisiert sich.”

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