Studie bestätigt: Steigende Mieten treffen genau die Falschen
Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst weiter. Während Geringverdiener immer mehr für Wohnraum zahlen müssen, sieht es bei Gutverdienern ganz anders aus.
Wissenschaftliche Beweise
Es scheint wenig überraschend, doch nun wurde es auch wissenschaftlich exakt nachgewiesen: In Zeiten einer starken Ungleichverteilung der Einkommen verschärfen die stetig steigenden Mieten die Probleme noch weiter. Zu diesem Ergebnis kam eine kürzlich veröffentlichte Studie, durchgeführt von Wissenschaftlern des University College in London und der Humboldt-Universität in Berlin.
Die Studie erschien in etwa zeitgleich mit der Veröffentlichung einer Untersuchung des Immobilienverbands IVD, der herausfand, dass die Mieten in Deutschland erneut gestiegen sind. Insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen sind betroffen, denn es seien stärkere Mietanstiege in Objekten mit „mittlerem Wohnwert“ gegenüber jenen mit „gehobenem Wohnwert“ festzustellen.
So stieg der Anteil der Ausgaben für die Miete am Haushaltseinkommen beim untersten Einkommensquintil, also den 20 Prozent der Bevölkerung, die über das geringste Einkommen verfügen, kräftig. Waren es im Jahr 1993 noch 27 Prozent, entfielen im Jahr 2013 schon satte 39 Prozent des Einkommens auf die Mietausgaben, bestätigt die Studie. Die oberen 20 Prozent der Bevölkerung, das oberste Einkommensquintil, konnten indes von einem Rückgang von 16 auf 14 Prozent profitieren. Ein Grund dafür dürften gesunkene Hypothekenzinsen sein, denn viele Top-Verdiener besäßen eigene Immobilien, so die Wissenschaftler.
Risiko für Deutschland
Auch für ganz Deutschland sehen Wissenschaftler ein erhöhtes Risiko. „Verglichen mit den USA und Großbritannien ist die Entwicklung der Wohnausgaben in Deutschland zwar relativ moderat. Der starke Anstieg der Ungleichheit nach Abzug der Wohnausgaben hat aber doch besorgniserregende Folgen für die Sparquoten, die für das unterste Einkommensquintil von 2 Prozent im Jahr 1993 auf minus 1 Prozent im Jahr 2013 gefallen sind“, warnt Christian Dustmann vom University College.
„Der Umstand, dass ein großer und steigender Anteil der Niedrigeinkommensbezieher nicht spart, gibt Anlass zur Sorge“, gibt auch Bernd Fitzenberger, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Bedenken.
Wachsende finanzielle Ungleichheit durch steigende Mieten
Als einen Grund für diese zunehmende Ungleichverteilung seien zum einen steigende Ausgaben von Mietern gegenüber Eigentümern von Wohnraum anzuführen. Außerdem hätten Personen mit niedrigem Einkommen schlechteren Zugang zu Hypothekenkrediten, die Möglichkeit der Vermögensbildung durch den Immobilienerwerb sei daher für die unteren Einkommensschichten sehr gering. „Daher ist zu erwarten, dass die steigende Ungleichheit in der Ersparnisbildung zu höherer Vermögensungleichheit in der Zukunft führt“, befürchtet Fitzenberger.
Erschreckende Entwicklung
Die Studie der Wissenschaftler aus London und Berlin beruht auf rund fünf Jahre alten Daten, nämlich Daten der amtlichen deutschen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die zwischen 1993 und 2013 von mehr als 100.000 Menschen erhoben wurden. Die Ergebnisse der EVS aus 2018 dürften erst in rund einem Jahr verfügbar sein. Doch bereits die Entwicklung bis 2013 ist erschreckend, und die Situation bis heute dürfte sich nochmals verschlimmert haben.
„Die Mietpreisentwicklung vertieft die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft“, merkt Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschland, an.
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