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Studie: Die Immobilienwirtschaft ist kaum Taxonomie-konform

Die EU-Taxonomie ist eine 2020 in Kraft getretene Verordnung der europäischen Union (EU), die Anforderungen an die verschiedensten Finanzprodukte definiert. Entsprechend müssen sich nicht nur Banken und andere Geldinstitute daran halten – auch die Immobilienwirtschaft muss den neuen Regeln folgen.

Die deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB), der Green Building Council España (GBCe), der Green Building Council Denmark (DK-GBC) und die österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) haben im letzten Jahr Daten erhoben und nun eine Studie veröffentlicht. Untersucht wurde, wie gut die Immobilienwirtschaft die Kriterien der Taxonomie mit wie viel Arbeitsaufwand umsetzen kann, woran noch gearbeitet werden muss und welches Potenzial die Taxonomie in der Immobilienwirtschaft überhaupt hat.

EU-Taxonomie: Bericht erstatten über die Umweltfreundlichkeit von Finanzprodukten

Die Studienautoren haben mit der ersten Fassung der Taxonomie aus dem Monat März 2020 gearbeitet. Diese beinhaltet – ebenso wie die neue Fassung – eine Verpflichtung für alle Unternehmen mit Finanzprodukten, Bericht darüber zu erstatten, inwiefern das Produkt beziehungsweise die Immobilie der Taxonomie folgt. Der Bericht muss offen zugänglich sein, sodass mögliche Kunden oder Investoren ihn einsehen und anhand dessen über einen Kauf entscheiden können. Bereits ab diesem Jahr muss über die Kriterien in den Bereichen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel berichtet werden. Erst Ende nächsten Jahres kommen die vier weiteren Kriterien Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen hinzu.

Nur ein Studienteilnehmer ist voll Taxonomie-konform

An der Studie teilgenommen haben 23 Unternehmen mit insgesamt 62 Bauprojekten und Immobilien aus den Kategorien “Erwerb und Eigentum”, “Neubauten” und “Sanierungen” – aber nur eines der Projekte konnte bei allen Kriterien volle Taxonomie-Konformität nachweisen. Weniger als 15 Prozent der Gebäude aus der Kategorie “Erwerb und Eigentum” konnten die Anliegen der Taxonomie größtenteils erfüllen, bei den Neubauten waren es immerhin etwas mehr als die Hälfte.

Die Studie zeigt: Die Immobilienwirtschaft hat ein Problem mit der Datenerfassung

Das größte Problem haben die Projektentwickler, Pensionskassen und Asset Manager, die mit ihren Gebäuden und Projekten an der Studie teilgenommen haben, dabei offenbar mit der Datenerfassung beziehungsweise -auswertung: Einige Projekte benötigten nur zwei Stunden für die Bearbeitung des Assessments, andere ganze 25 Stunden.

Am größten war die Datenlücke bei den Teilnehmern mit Wohngebäuden oder besonders großen Immobilien. In ihrer Pressemitteilung zur Studie zitiert die DGNB Geschäftsführerin Christine Lemaitre, der zufolge selbst die motiviertesten Teilnehmer Schwierigkeiten mit der Umsetzung der Taxonomie hatten. Allerdings sei interessant, dass bereits zertifizierte Gebäude in Sachen Datenerfassung und Offenlegung schneller vorgehen konnten als solche, die noch kein Zertifikat vorweisen konnten. Carl Backstrand von ACE Dänemark sagt laut DGNB: “Die Studie unterstreicht anhand von realen Fallbeispielen einmal mehr, was wir schon lange erwartet haben: Die Bauwirtschaft hat ein Problem und die Notwendigkeit, die Datenerfassung zu verbessern und eine höhere Datensicherheit zu gewährleisten.“

Die Verordnung sollte noch ausgebaut werden, finden die Studienautoren

Lemaitre hält außerdem fest, dass alle Gebäude bei dem Kriterium Anpassung an den Klimawandel am schlechtesten abschnitten: “Wenn der Eindruck entsteht, dass sich die [Klima-]Anforderungen ohnehin nicht erfüllen lassen, fehlt auch die Motivation, sich überhaupt auf den Weg zu machen, um es zu schaffen.” Die Studienautoren empfehlen der EU-Kommission in einem eigenen Schreiben, welches bereits Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde, daher die Einführung einer transparenten Prozedur für die Einführung der Maßstäbe und insbesondere eine Standardisierung der Daten: Also alles in allem mehr Hilfestellungen für die Immobilienwirtschaft.

Das Ergebnis der Studie dürfte für Klimaschützer eher ernüchternd sein – und dies, obwohl sich einer Studie von EY Real Estate zufolge zumindest die Immobilienfonds deutlich besser auf die Kriterien der EU-Taxonomie vorbereitet sehen als auf die am 10. März in Kraft getretene Offenlegungsverordnung.

Bildquellen: Romolo Tavani/Shutterstock.com