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„Wohnungsraumpotenziale in urbanen Lagen“: Aufstocken statt neu bauen

Angesichts der zunehmenden Wohnungsnot und der steigenden Mietpreise stellen sich Forscher und Bauplaner immer wieder die Frage, wie man neuen Wohnraum schaffen kann ohne jede Stadtfläche zubetonieren zu müssen.

Eine Studie, die die Technische Universität Darmstadt in Kooperation mit dem Pestel-Institut Hannover durchgeführt hat, soll eine erste Lösung liefern.

Umbau und Umnutzung von Gebäuden

Anstatt komplett neue Gebäude zu bauen, empfehlen die Studienautoren den Umbau von Nicht-Wohngebäuden. Beispielsweise könnten hierdurch allein durch die Aufstockung von Parkhäusern bis zu 20.000 neue Wohneinheiten in Innenstädten entstehen. Würde man Büro- oder Verwaltungsgebäude um weitere Stockwerke erweitern, könnte man bundesweit 560.000 zusätzliche Wohneinheiten erhalten. Ihr Umbau brächte 250.000 Wohnungen. Doch nicht nur: Derartige Bauten könnten auch der sozialen Infrastruktur zugutekommen. Beispielsweise könnten die Flächen für die Einrichtung von neuen Kitas genutzt werden.

Insgesamt könnten hierdurch bis zu 1,2 Millionen neue Wohneinheiten entstehen. Der Umbau oder die Erweiterung von bestehenden Gebäuden würde nicht nur viel Stadtfläche sparen, es ist auch weitaus günstiger, als komplett neue Bauten zu tätigen. Häufig entfielen die Kosten für Baugrund und für die Errichtung des Rohbaus. Es müssten lediglich „kleinere“ Renovierungen wie beispielsweise die Erweiterung von Leitungsnetzen für Strom und Wasser ausgeführt werden.

Nahversorgung und Wohnen in Einem

Besonders in den Fokus der Forscher gerückt sind auch große Handelsketten wie Aldi oder Lidl. Denn auch hier sehen sie großes Wohnpotenzial: Häufig sind die Filialen einstöckig und haben ein flaches Dach. Eine gute Gelegenheit, um sie aufzustocken. Die Anzahl der potenziellen Wohnungen, die hier entstehen können, beläuft sich laut Studienberechnungen auf 400.000 Einheiten. Doch ganz freiwillig stimmen die Händler dann doch nicht zu. Ihr Kerngeschäft bestehe schließlich aus dem Lebensmittelhandel und nicht aus der Vermittlung von Wohnungen.

Doch da sie dennoch stets darauf ausgerichtet sind, ihre Filialen zu erweitern, müssen sie sich auf Gegengeschäfte mit den Kommunen einigen. Denn Letztere geben nur ungern leere Stadtflächen für den Bau von neuen Lebensmittelgeschäften frei. Also haben sie sich auf einen Kompromiss geeinigt: Lebensmittelketten dürfen ihre Verkaufsflächen nur unter der Voraussetzung vergrößern, wenn zugleich neue Wohnungen über den Filialen entstehen. Bundesweit machen sich die Konzerne Gedanken dazu und es laufen auch schon erste konkrete Pläne.

Die Herausforderungen

So schön die Idee klingen mag, so ist sie dennoch mit einigen Herausforderungen verbunden. Und das schon vor Beginn des Baus. In Deutschland herrschen komplizierte Vorschriften, die von der Baugenehmigung, über die Energiebilanz bis hin zu den Rechtsansprüchen der Nachbarn reicht. Es müssen dabei neue Vorschriften für technische Ausrüstungen berücksichtigt werden, die beim ursprünglichen Bau des Gebäudes noch nicht existiert haben. Ebenso ist die Überschreitung einer gewissen Bauhöhe mit bestimmten weiteren Vorschriften verbunden, wie beispielsweise den teuren Einbau von Aufzügen.

Nicht zuletzt dürfen auch die Bedenken und Wünsche der Nachbarn nicht außer Acht gelassen werden. Besonders angestammte Nachbarn könnten sich durch den Umbau ihrer Viertel gestört fühlen. Die Aufstockung von bestehenden Gebäuden bringt längere Schatten, Baustellen sorgen für reichlich Lärm und Dreck und nicht zuletzt sorgen luxuriöse Dachwohnungen mit großzügigen Sonnenterrassen für Neid. Die Studienautoren der TU Darmstadt haben hierfür einige Lösungen vorgeschlagen und ein separates Kapitel für die Umsetzung der Pläne integriert. Sie empfehlen eine gute Zusammenarbeit zwischen Gesetzgebern, Bauträgern und Bewohnern. Die Gesetzgeber könnten dafür sorgen, dass Konflikte mit den Nachbarn gelöst werden. Die Bauträger hingegen könnten die Bewohner während des Baus miteinbeziehen und ihnen die Vorteile der Neugestaltung ihrer Umgebung zeigen.

Bildquellen: Tim Roberts Photography/Shutterstock.com