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Zinswende stellt offene Immobilienfonds vor Herausforderungen

In der Niedrigzinsphase galten sie als Tipp für Anleger, die in Immobilien investieren, aber nicht genug Vermögen für den Kauf eigener Immobilien hatten: Offene Immobilienfonds, die ihr Vermögen in Bürohochhäuser, Einkaufszentren und Wohnungen anlegen. Doch das aktuelle Zinsniveau stellt die Fonds vor substanzielle Herausforderungen.

Indirekte Beteiligung an Immobilieninvestments durch offene Immobilienfonds

Über offene Immobilienfonds können Privatpersonen kleinere oder größere Beträge anlegen, indem sie sich indirekt an breit gestreuten Immobilieninvestments beteiligen. Die Erträge erzielen die Fonds vor allem durch Mieteinnahmen aus den Immobilien und deren Wertzuwachs, aber auch durch etwaige Zinserträge, sofern die Fonds ihr Vermögen gewinnbringend angelegt haben. Offene Immobilienfonds können nach Einschätzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) insbesondere für Anleger in Betracht kommen, die an einer mittel- bis langfristigen Geldanlage interessiert sind, aber etwaige Wertschwankungen sowie einen möglichen Kapitalverlust ertragen können.

Nettofondsvermögen auf Rekordniveau

Das Nettovermögen aller deutschen offenen Immobilienfonds ist dem BVI zufolge mit rund 160,5 Milliarden Euro zum Ende des dritten Quartals 2023 im Vorjahresvergleich gewachsen und befindet sich auf einem Rekordniveau. Dahingegen hat sich das Mittelaufkommen mit 939,2 Millionen Euro im laufenden Jahr um rund ein Viertel gegenüber dem Vorjahreszeitraum verringert. Betrachtet man nur das dritte Quartal 2023, mussten sogar Mittelabflüsse in Höhe von 121,7 Millionen Euro verzeichnet werden. Für 2024 könnte der Saldo jedoch ins Negative drehen, so die Einschätzung von Experten der Ratingagentur Scope laut einem Pressebericht. Die aktuelle Zinsentwicklung führt somit nicht nur dazu, dass deutlich weniger Fondsanteile im Privatkundengeschäft abgesetzt werden, sondern es vermehrt auch zu Kündigungen von Fondsanteilen kommt.

Zinsanstieg bremst Mittelzuflüsse der Fonds

Ursächlich für diese Entwicklung sei mitunter die Zinswende, die zu Verwerfungen am Finanz- und Immobilienmarkt geführt hat, wie SpringerProfessional in einem Beitrag erklärt. Durch den rasanten Zinsanstieg wurden zum einen andere Anlageformen, wie Tages- und Festgeldprodukte, bei denen keine Ausgabeaufschläge anfallen, relativ attraktiver. Dies bremst die Mittelzuflüsse der Fonds. Zum anderen wurde auch die Finanzierung teurer, was die Nachfrage zusätzlich verringert. Beides wirkt sich nachteilig auf offene Immobilienfonds aus, deren Netto-Mittelaufkommen im laufenden Jahr deutlich niedriger ist als in den Vorjahren. Im kommenden Jahr könnten dann sogar vermehrt Mittelabflüsse zu verzeichnen sein. Dem Beitrag zufolge könnte das aktuelle Zinsniveau – und damit die Belastungen – nämlich deutlich länger bestehen bleiben, so die Analyse der Experten der Ratingagentur Scope. Sollte dieses Szenario eintreten, würden die Sicherungsmechanismen, die nach der früheren Krise eingebaut wurden, einer Realitätsprüfung unterziehen. Im schlimmsten Fall könnte sich die aktuelle Lage sogar zu einer erneuten Krise entwickeln.

Immobilienverkäufe als erstes Warnsignal?

Laut dem Beitrag von SpringerProfessional erwägen Fondsmanager Immobilienverkäufe, um Liquidität aufzubauen. Dies sei ein Indiz, dass die Fondsmanager aufgrund der schwierigen Marktlage in Zukunft offensichtlich verstärkte Rückgaben erwarten. Darüber hinaus sei es unwahrscheinlich, dass sich größere Objektverkäufe in einem schwierigen Markt, in dem potenzielle Käufer um die Nöte der Verkäufer wissen, zu annehmbaren Konditionen realisieren lassen, heißt es ergänzend. Sollte die Liquidität einzelner Fonds dann nicht ausreichen, um „negative Mittelaufkommen über längere Zeiträume zu stemmen“, seien die Fonds unter Umständen dazu gezwungen, „die Rücknahme von Anteilen auszusetzen“, heißt es ergänzend in der Scope-Pressemitteilung. Die Wahrscheinlichkeit sei zwar gering, lasse sich aber nicht ausschließen. Die Scope-Experten rechnen allerdings nicht damit, „dass es zu einer Reihe von (zeitweilen) Fondsschließungen kommen wird“. Dass einzelne Fonds von solchen Maßnahmen betroffen sein könnten, lasse sich dem Pressebericht zufolge aber nicht ausschließen.

Von Vorteil für die Fonds sei die Mindesthaltedauer von 24 Monaten und die Kündigungsfrist von einem Jahr, durch die Verkaufswellen wie während der Finanzkrise zusätzlich abgebremst werden. Den Scope-Experten zufolge könnten zum Zeitpunkt der Rücknahme bereits Abwertungen von Objekten erfolgt sein, wodurch Anleger ihre Anteile zu einem deutlich geringeren Rücknahmepreis als zum Zeitpunkt der Kündigung ausgezahlt bekämen.

Eine weitere Herausforderung stelle die Bewertung der Immobilien dar. Dem Scope-Pressebericht zufolge wurden erste Immobilienwerte bereits gesenkt und mit der Zunahme der Verkäufe auf den Immobilienmärkten dürften weitere Abwertungen folgen. Laut Scope sei daher mit sinkenden Fondsrenditen zu rechnen.

Vermögensallokation durch langfristige Investments

Trotz der Herausforderungen und der im Vergleich zu Zinsanlagen gesunkenen Attraktivität aufgrund der aktuellen Zinslage sehen die Scope-Experten ein langfristiges Investment in offene Immobilienfonds als wichtigen Teil der Vermögensallokation: Trotz der moderaten Performance weisen die Fonds über längere Zeiträume solide Renditen mit zugleich sehr geringer Volatilität aus, so die Meinung der Experten. Darüber hinaus seien Diversifikationsaspekte angesichts der äußerst komplexen makroökonomischen Situation wichtiger denn je: So kann eine breite Streuung nach Standorten dazu beitragen, dass trotz Rezessionen einzelner Volkswirtschaften oder auch die wirtschaftlichen Folgen von lokalem demografischem Wandel die Performance des gesamten Portfolios relativ stabil bleibt. Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass einzelne Assetklassen wie bestimmte Einzelhandels- oder Büroobjekte standortübergreifend von vorübergehenden Schocks betroffen sein können und auch hier stärker diversifiziert werden sollte.

Bildquellen: zhu difeng / Shutterstock.com