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Drees & Sommer Immobilienkolumne – Alles im Takt: Lean Construction in der Life Science-Branche

Projekte der Pharmaindustrie stehen vor besonderen Herausforderungen: Nicht nur die Qualitätsansprüche sind sehr hoch, Gebäude und das Equipment müssen außerdem oft im Super-Fast-Track-Verfahren realisiert werden. Fehlt die gute Koordination und Struktur auf der Baustelle, kann das gesamte Vorhaben ins Wanken geraten. Abhilfe schafft hier die Methode des Lean Managements. Sie verschlankt die Prozesse und stellt Qualitäten, Kosten und Termine sicher.

Für Bauherren der Pharmaindustrie ist die Einhaltung der vereinbarten Qualitäten oberstes Gebot. Allerdings kann die oft unzureichende Abstimmung und Koordination zwischen allen Beteiligten auf der Baustelle dieses Ziel gefährden. Ein „Aneinander-vorbei-Arbeiten“ belastet den Arbeitsfluss der ausführenden Gewerke und behindert in vielen Fällen die Fertigstellung im gewünschten Termin- und Kostenrahmen. Für eine Lösung sorgt das Lean Management. Dreh- und Angelpunkt dieser Vorgehensweise ist der detaillierte Projektablauf, der auf den Tag genau durchgetaktet ist. Das Lean Construction Management (LCM) basiert auf dem Kaizen-Prinzip, das für eine „Veränderung zum Besseren“ steht. Um diese Optimierung zu erreichen, gilt es, die Einzelaktivitäten und Abläufe sinnvoll aufeinander abzustimmen. Relevant ist die Methode in nahezu allen Projektphasen – beispielsweise als Lean Design Management (LDM) bei der Planung, als Lean Site Management (LSM) bei der baulichen Ausführung und als Lean Commissioning and Handover (LCH) bei der Inbetriebnahme. Das Ergebnis: eine spürbare Beschleunigung der Arbeitsprozesse und ein termingerechter Produktionsstart sowie eine deutliche Entlastung für alle Beteiligten.

Alles im Takt während den Realisierungsphasen

Die LSM-Methode hat drei Stufen mit steigendem Detaillierungsgrad. Am Anfang steht die Gesamtprozessanalyse, die anschließend in die Prozessplanung und später in die Tafelplanung überführt wird. Bei der Gesamtprozessanalyse definiert ein Team aus der Bauleitung, Planern, Lean Site Managern sowie ausführenden Unternehmen für Bau und Produktion die Strategie und den Ablauf. Dazu gehört es, den gesamten terminlichen Ablauf in überschaubare Einheiten zu zerlegen und Schwachstellen und Risiken aufzudecken.

Danach untergliedert das Team innerhalb der Prozessplanung das Gesamtvorhaben in Teilprojekte und Arbeitspakete. Zu diesem Schritt gehört auch das Ressourcenmanagement. Es geht darum, den Ablauf mit Meilensteinen und Stabilitätskriterien festzulegen. Beispiele für wichtige Meilensteine sind die Übergabe der Ausführungsplanungen, Einbringtermine für Prozessanlagen und Verfügbarkeit von Mediensystemen. Parallel dazu läuft die Logistikplanung für den Baustellenbetrieb. Wichtige Fragen sind dabei, wie viele Mitarbeiter, Material und Maschinen zu welchen Zeitpunkten benötigt werden. In der Regel stimmen sich die Projektbeteiligten alle 2 – 3 Wochen detailliert ab: Terminplaner, Bauleitung, Firmen-Projektleiter und Bauherren-Vertreter. Sollte sich das Projekt in einer zeitkritischen Phase befinden wird der Rhythmus auch auf einen Wochentakt verkürzt.

Im Alltag ist die Tafelplanung das zentrale Instrument. Sie liefert die benötigten Informationen und ermöglicht die tägliche Prüfung des Projektfortschritts. Dabei werden die vier Folgewochen tagesgenau durchgeplant. Mit Hilfe einer Tafel und Steckkarten werden der Ablauf sowie die einzelnen Aktivitäten visualisiert. Für alle Beteiligten bedeutet das mehr Transparenz. Jeder Einzelne kann erkennen, an welcher Stelle im Ablauf sein Job steht, ob es Zeitverzögerungen gibt und welche Gewerke mit ihm gemeinsam im selben Bereich arbeiten. Die Tafelplanung fungiert außerdem als Frühwarnsystem und weist darauf hin, ob die Arbeiten rechtzeitig fertig werden.

Jeden Tag näher am Ziel mit der 4-Wochen-Vorausschau

Jeden Morgen treffen sich alle Firmenvertreter und die Bauleitungen im Lean-Management-Container lediglich für 20 – 30 Minuten. Eine Tafel mit einzelnen Aktivitäten, Kennzahlen und To-Do-Listen bietet einen Überblick über die nächsten vier Wochen. Auf Steckkarten ist die tagesaktuelle Tätigkeit des einzelnen Gewerkes notiert. Dabei überprüft jeder Teilnehmer seine Leistungen und plant den Tag: Welche Aufgaben stehen heute an? Wer fängt in welchem Bereich an? Gibt es Schnittstellen zu anderen Gewerken? Diese Meetings sind nicht moderiert – es geht um die informelle Abstimmung unter den Beteiligten.

Im Laufe des Tages aktualisieren die Firmenvertreter die Tafel. Haben sie eine Aufgabe erledigt, ändern sie die entsprechenden Karten. Gleichzeitig können sie feststellen, ob andere Gewerke die für sie relevanten Bereiche bereits bearbeitet haben. Das bietet ihnen eine verlässliche Basis, ihre weitere Arbeit für die kommenden Tage zu planen. Auch für die Bauleiter ist die Tafel das zentrale Informationstool: Eine abgeschlossene Aufgabe weist zum Beispiel darauf hin, dass sie das Ergebnis überprüfen können. Einmal in der Woche trifft sich das Team zusätzlich zu einer ausführlicheren Besprechung und stimmt die Detailaktivitäten in der Tafelplanung für eine weitere Woche ab.

Strukturiert, stabil, sicher

Anhand der Tafel kann jeder einzelne seine konkreten Aufgaben in der abgestimmten Arbeitsfolge ablesen, kann erkennen, ob es Zeitverzögerungen gibt und welche parallelen Aktivitäten in seinem Arbeitsbereich geplant sind. Arbeitskollisionen werden so frühzeitig sichtbar und können verhindert werden.

In der Vergangenheit war es für den einzelnen Bauleiter ein erheblicher Aufwand, alles im Blick zu behalten und zu steuern. Das Risiko Terminverzögerungen zu übersehen war sehr groß. Das hatte wiederum Auswirkungen auf den gesamten Ablauf. In diesem Sinne liefert die Lean Management-Methode Stabilität: Die Ablaufprozesse sind gut definiert, die Aufgaben klar verteilt. Daraus ergeben sich weitere Vorteile, zum Beispiel in Bezug auf die bauherrenseitigen HSE-Verpflichtungen (Health – Safety – Environmental).

Aber nicht nur auf der Baustelle kann der Lean-Management-Gedanke viel bringen. Er ist auch auf andere Ablaufprozesse übertragbar, zum Beispiel zur regelmäßigen Überprüfung von Anlagen in der sogenannten Shutdown-Phase. Dabei kann die Lean-Methode einen wertvollen Beitrag leisten, dass der enge Zeitraum für die Anlagenwartung eingehalten wird.

 

Autor: Rino Woyczyk

Rino Woyczyk ist Partner und Head of Life Sciences bei Drees & Sommer. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt vor allem in der Realisierung von Fast-Track-Projekten der Pharma-, Biotech- und Medizintechnikbranche. Darüber hinaus ist er seit 2008 im Vorstand des Pharmaverbandes VIP3000 e.V.

Drees & Sommer: Innovativer Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben.

Drees & Sommer begleitet private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit über 45 Jahren bei allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur. Das partnergeführte Unternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart ist mit rund 3.200 Mitarbeitern an insgesamt 40 Standorten weltweit vertreten. Seine Leistungen erbringt Drees & Sommer unter der Prämisse, Ökonomie, Qualität und Ökologie zu integrieren. Diese ganzheitliche und nachhaltige Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.

Bildquellen: Eric Urquhart/Shutterstock.com