Drees & Sommer Immobilienkolumne – Die Stadt der Zukunft: Vernetzt und energieeffizient

Achtzig Prozent der globalen Treibhausgase werden in Städten emittiert. Folglich spielt die Stadtplanung der Zukunft für die Energiewende und die Klimaneutralität eine beachtliche Rolle.

Die nachhaltige Gestaltung von Stadtquartieren zählt dabei zu den wichtigsten Aufgaben. Zu bedenkende Kernelemente sind dabei die Energieeffizienz und eine intelligente Vernetzung der verschiedenen Akteure. Wie sieht die Stadt der Zukunft konkret aus – und woher bezieht sie ihre Energie? Was den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen angeht, zählen Städte und urbane Quartiere zu den Spitzenreitern. Das resultiert aus der hohen Dichte an Infrastrukturen und der Vielzahl von Akteuren und daraus folgend aus dem hohen Energiebedarf und Ressourcenverbrauch. Ob wir die Energiewende schaffen und das in der EU und Deutschland diskutierte Ziel der Klimaneutralität erreichen, entscheidet sich daher vor allem in den Städten. Deshalb muss die Politik sie stärker in den Fokus nehmen. Das Bestreben sollte ein strategischer Orientierungsrahmen sein, der urbane Räume in das nationale Zielsystem aufnimmt und auf die optimal benötigte Regelleistung lokaler Infrastrukturen und die Vernetzung der Akteure setzt.

Denn bisher sind Energieverbraucher und Energieproduzenten meist getrennt: Die Verbraucher leben im Inneren der Städte, die Erzeuger mit ihren Anlagen sind vor den Toren der Stadt angesiedelt. In Zukunft muss mehr Energie dort dezentral erzeugt werden, wo sie verbraucht wird. Das einfachste Beispiel sind Photovoltaikanlagen für die Stromerzeugung, die durch Fördermaßnahmen und Regelungen flächendeckend auf die Dächer gebracht werden sollten. Sie können auch dazu dienen, Elektroautos aufzuladen, die wiederum für den Stadtverkehr ideal sind. Für die Wärmeerzeugung eignen sich Wärmepumpen, welche die Umgebungswärme nutzen oder Nahwärmenetze, welche die Abwärme von Industriebetrieben oder auch Rechenzentren als Wärmeenergie in die Gebäude bringen.

Die Stadt der Zukunft ist in jeder Hinsicht vernetzt

Die jeweiligen Konzepte sind immer abhängig von den konkreten Gegebenheiten eines Quartiers. Wie das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Beteiligten aufgebaut und energetisch sinnvoll geordnet wird, muss im Vorfeld analysiert werden. Es sollten Fragen untersucht werden, wie: Wie kommt der Strom zur E-Auto-Ladestation auf dem Parkplatz? Welche baulichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Dächer die Solaranlagen tragen können? Wie werden Einspeisevergütungen und steuerliche Anreize ausgestaltet? Die Themen liegen außerhalb der klassischen Aufgaben für Stadtplaner, müssen aber bereits bei der Masterplanung berücksichtigt werden. Lokalpolitiker können hier initiieren, dass kommunale Fachämter sich bei der Ausarbeitung von Bebauungsplänen für die Spezialbereiche entsprechende Expertise mit ins Boot holen müssen. Das Ergebnis ist dann ein Technischer Masterplan. Die Gestaltung der urbanen Energiewende kann zudem nur dann gelingen, wenn sowohl die Vernetzung verschiedener Akteure und Quartiere als auch die technologische Vernetzung durch die Digitalisierung erfolgen. Das kann am Beispiel der Stromversorgung verbildlicht werden: Wenn wir mittelfristig nur noch auf grünen Strom setzen wollen, wird es Phasen geben, in denen viel Strom erzeugt wird, weil der Wind stark weht und die Sonne scheint. Es wird aber auch Phasen geringerer Stromerzeugung geben. Die überschüssige Energie muss in den Hochphasen gespeichert werden – dazu bieten sich Akkus von Elektroautos oder auch Warmwasserspeicher in Gebäuden an. In Phasen, in denen wenig Strom bereitgestellt wird, gibt es dann keinen Strom an den E-Auto-Ladestationen. Hier ist die digitale Nutzung energiebezogener Daten entscheidend. So können die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität miteinander verkoppelt werden, sodass die vorhandene Energie effizient genutzt werden kann.

Die bedeutende Rolle der Stadtquartiere

Für die Umsetzung der Energiewende in den Städten haben Quartiere eine ideale Größe: Sie sind groß genug, um etwas bewegen zu können und Synergieeffekte zu heben, aber noch klein genug, um nicht den Überblick zu verlieren. Die Vorteile spiegeln sich auch in den verschiedenen Förderprogrammen etwa von KfW oder BAFA wider, die sich ausdrücklich auf Stadtquartiere beziehen. Das KfW-Programm 432 „Energetische Quartierssanierung“ oder das BAFA-Programm „Wärmenetze 4.0“, haben beispielsweise jeweils energetische Verbesserungen in einem solchen abgegrenzten Bereich zum Ziel. Die großen Projektentwickler haben das verinnerlicht und verwirklichen Projekte wie das Deutzer Hafen Quartier in Köln, das Schumacher Quartier auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Stadtflughafens Tegel oder den Beiersdorf Campus in Hamburg. Ein Vorreiter im Bereich Intelligenz und Vernetzung ist das aktuell in der Berliner Europa City entstehende Quartier Heidestrasse. In den dort geplanten Bürogebäuden unterstützen die app-basierten Raumnutzungssysteme die Büroorganisation. Heizung, Kühlung, Lüftung, Jalousien und vieles mehr lassen sich dann auch in den Wohnbereichen automatisch steuern. Der Energieverbrauch wird so für Nutzer transparent und kann weiter optimiert werden. Eine ganze Reihe weiterer Städtebau-Projekte ähnlicher Machart sind bereits in Planung. Ein Beispiel ist die Urban Tech Republic in Berlin: Hier lässt sich beobachten, dass alte Netzstrukturen in höchst moderne Low-Exergie-Netze gewandelt werden können. Sowohl Bestand als auch Neubau werden auf diese Weise klimaschonend versorgt. Diese Innovation führt nicht nur zur Energieeffizienz, sondern ist langfristig auch kostengünstig. Auch durch neuartige Betreibermodelle werden solche Lösungen für Entwickler wirtschaftlich attraktiv. Der technische Masterplan hat für dieses Projekt Synergien zwischen der Wasserinfrastruktur zur Rückkühlung des Low-Exergie-Netzes und Kombinationsmöglichkeiten mit der E-Mobilität gefunden. Das zeigt noch einmal eindrucksvoll, wie wichtig die Vernetzung der Sektoren und Akteure für mehr Energieeffizienz ist.

Die Vision: In der Zukunft die Vergangenheit nicht vergessen

Die Stadt der Zukunft ist eine, die sich selbst mit Energie versorgt und in der alle Gebäude miteinander vernetzt sind. Dabei gibt es ausschließlich erneuerbare Energien und zugleich einen höheren Wohlfühlfaktor, weil die Luftqualität besser ist. Aber es gilt auch, die Vergangenheit zu bewahren: Hierzulande gibt es wunderschöne historische Gebäude. Diese sollten in ein intelligentes Energiekonzept mit einbezogen werden – sie können von modernen Aktivhäusern in der Nachbarschaft mitversorgt werden. Auf diese Weise kann eine Symbiose von Alt und Neu gelingen. So bewahren wir den Character, der unsere Städte zur Heimat für ihre Bewohner werden lässt, und bieten den Bewohnern ein Stück Lebenskultur, das Bauphysik und Infrastrukturplanung allein nicht erreichen. Das ist wichtig, denn die Energiewende kann nur mit den Menschen gelingen.

Diese Kolumne ist Teil des von Drees & Sommer veröffentlichten Dossiers „Aus sicherer Quelle – Sonne oder Wind? Wärme oder Wasserstoff? Erneuerbare Energie hat viele Gesichter“. Hier geht es zum Download des gesamten Energie-Dossiers.

Über die Autoren:

Gregor Grassl studierte Architektur in München und ist seit 2007 bei Drees & Sommer für zahlreiche Projekte im In- und Ausland verantwortlich. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Bereich der nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung. Er leitet Projekte vom strategischen Beraten über Entwicklung von Klimaschutzkonzepten bis hin zur Infrastruktursystemplanung internationaler Großprojekte mit City BIM. 2009 rief Gregor Grassl in der DGNB die Arbeitsgruppen „Stadtquartiere“ und später auch „Gewerbe und Industriestandorte“ ins Leben und leitete diese. 2013 wurde er von der Zukunftsinitiative der Bundesregierung in die „Nationale Plattform Zukunftsstadt“ berufen. Zu seinen jüngsten Projekten zählen The Urban Tech Republic in Berlin sowie Springpark Valley in Bad Vilbel. Sein Wissen gibt er als Dozent im Studiengang Internationales Projektmanagement (IPM) an der Hochschule für Technik (HfT) in Stuttgart und in seinem Buch ‚Nachhaltige Stadtplanung‘ weiter.

Iris Belle studierte Architektur an der TU Karlsruhe und promovierte 2013 an der Universität Heidelberg in Geografie. Nach beruflichen Stationen in China, Singapur und der Schweiz fing sie 2019 als Projektpartnerin bei Drees & Sommer an. Ihr Aufgabenbereich im Team Smart City Development umfasst die Entwicklung von Nachhaltigkeits- und Digitalisierungskonzepten für Stadtquartiere im In- und Ausland. Als Leading Consultant bei Drees & Sommer berät sie öffentliche und private Auftraggeber und entwickelt Konzepte, um Städte lebenswerter zu machen. Dabei stützt sie sich auf ihre Forschung und Erfahrung zu Auswirkungen sozio-technischer Systeme auf die gebaute Umwelt. Aktuell begleitet sie Projekte wie die Quartiersentwicklung York und Oxford auf den Konversionsflächen in Münster. Ihr Wissen gibt Iris Belle als Lehrbeauftragte an der Stuttgarter Hochschule für Technik im internationalen Masterstudiengang Smart City Solutions weiter.

 

 

 

Drees & Sommer: Innovativer Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben.

Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 46 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Alle Leistungen erbringt das partnergeführte Unternehmen unter der Prämisse, Ökonomie und Ökologie zu vereinen. Diese ganzheitliche Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.

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