Drees & Sommer Immobilienkolumne – Energie, die Menschen bewegt

Wie die Zukunft der Mobilität aussehen könnte, darauf hat Corona einen Vorgeschmack gegeben. Zwar nutzten viel weniger Menschen den öffentlichen Nahverkehr, doch der Pkw-Verkehr ging massiv zurück und die meisten waren zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs.

Diese Effekte dürften nach überstandener Pandemie allerdings von kurzer Dauer sein. Nach wie vor gilt der Verkehrssektor als Sorgenkind der Klimaschutzbemühungen. Noch immer nimmt die Zahl der Pkw und LKW auf unseren Straßen stetig zu – mit einem einhergehend massiven Verbrauch fossiler Energieträger und Ausstoß schädlicher Klimagase. Damit ist eine grüne Verkehrswende elementar für das Gelingen der Energiewende: Es gilt den Verkehr in unseren Städten so zu gestalten, dass die Klimaschutzziele erreicht werden und die Menschen dennoch mobil bleiben.

Das planerische Leitbild einer autogerechten Stadt aus den 1960er und 1970er-Jahren spiegelt sich bis heute in unseren Metropolen wider. Mehrspurige Hauptverkehrsstraßen, fehlende Fahrradspuren, mangelnde Parkplätze und viel zu schmale Fußwege führen in großen Städten fast täglich zum Verkehrschaos. Das Ergebnis: lange Staus, Luftverschmutzung sowie unzufriedene Pendler und Einwohner. Trotz der Versuche verschiedener Städte, wie zum Beispiel Berlin mit ihrer Radverkehrsstrategie oder Stuttgart mit dem strategischen Fußgängerkonzept, lassen sich diese gewachsenen urbanen Strukturen nur langsam verändern. Ist also eine echte Energie- und Mobilitätswende nur auf Halbgas möglich?

Ziel: Vermeiden, verlagern, verbessern

Zumindest in der Theorie sind Lösungen bekannt, um das Verkehrssystem energieärmer und klimafreundlicher zu gestalten: Experten sprechen von einem sogenannten Avoid-Shift-Improve-Modell. Es umfasst also drei Handlungsschritte, um den ökologischen Fuß- bzw. Reifenabdruck des Verkehrssektors zu reduzieren: den Verkehr zu vermeiden durch eine Reduzierung der Mobilitätsbedürfnisse, den Verkehr zu verlagern auf umweltschonende Verkehrsträger und schließlich den Verkehr zu verbessern durch Einsatz effizienter Antriebstechnologien.

Die gemeinhin einfachste und wirtschaftlichste Maßnahme ist, Verkehr bzw. Mobilität zu reduzieren. Wer sich weniger automobil bewegt, benötigt auch weniger fossile Energie. So gilt es Mobilität von ihren Anlässen her zu denken und Verkehr gar nicht erst entstehen zu lassen. Das ist zum einen mit Städten der kurzen Wege möglich. Dafür braucht es gemischt genutzte Quartiere, die ihren Einwohnern Wohn-, Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten bieten. Zum anderen müssen Arbeitgeber immer stärker dazu übergehen, wie es derzeit pandemiebedingt flächendeckend erzwingt, beispielsweise Home-Office-Optionen zu etablieren und digitale Kommunikations- wie auch Kollaborationssysteme auszubauen. Allerdings ist dieser Hebel endlich: Denn völliger Stillstand ist selbst in der Stadt der kurzen Wege weder eine realistische noch eine lebenswerte Option.

So gilt es im zweiten Schritt den Verkehr auf alternative Verkehrsträger zu verlagern. Im besten Fall steigt also, wer heute den SUV nutzt, morgen auf die Straßenbahn um. Für diejenigen, die auf ein Auto nicht verzichten können oder wollen, bietet sich Carsharing als umweltschonendere Alternative an. Motorisierter Individualverkehr ist zwar komfortabel und bequem, aber auch besonders in Städten hochgradig ineffizient. Der Flächenverbrauch eines Pkws beträgt das Fünf- bis Zehnfache gegenüber öffentlichen Verkehrsmitteln. Das sind Flächen, die sich bei einer guten Planung für viel sinnvollere Zwecke nutzen – und die Innenstädte für Besucher und Bewohner – attraktiver gestalten lassen. Doch es gibt noch weiter Luft nach oben: Um die Energie- und Verkehrswende wirklich voranzubringen, gilt es klimafreundliche Technologien einzusetzen. Und so sollten in Zukunft alle Verkehrsmittel mit regenerativen Energien angetrieben werden. Wasserstoffbetriebene Busse und Elektroautos sind dafür schon heute gute Beispiele. Vor allem bei Letzteren zeichnet sich eine positive Entwicklung ab: In den vergangenen Jahren ist die Elektrifizierung der Fahrzeugantriebe zum großen Trend geworden, der den Markt erobert. Auch die Ladeinfrastruktur wächst und wird zum Teil beim Bau von neuen Gebäuden und Quartieren schon mitgedacht. Derzeit nehmen elektrisch aufladbare Fahrzeuge, Hybridfahrzeuge und reine Elektroautos in Deutschland noch einen Anteil von 15 Prozent bei Neuzulassungen ein. Die Tendenz ist aber steigend.

Das Elektroauto ist aber nur dann ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch der Strom aus der Ladesäule und die Energie für die Produktionsstätte klimafreundlich erzeugt werden. Leider bleibt derzeit der Anteil an Erneuerbaren Energien im Energienetz mangels Speicherkapazitäten begrenzt. Energie aus regenerativen Quellen muss oftmals bei Spannungsspitzen vom Netz genommen werden – fossile Energien bleiben hingegen angebunden. Dabei wäre bilanziell gesehen bereits heute ein deutlich grünerer Energiemix möglich. Als dezentrale Energiespeicher müssen zum Beispiel künftig die parkenden Vehikel einen Beitrag leisten.

Wasserstoff als Baustein künftiger Mobilitätslösungen

Um die doppelte Transformation zu schaffen, braucht es also die Kopplung beider Sektoren. Für einen reibungslosen und damit energieeffizienten Übergang müssen verschiedene Technologiepfade eingeschlagen werden. So gilt neben batterieelektrischen Antrieben der klimafreundlich hergestellte Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Spätestens seit der Mitte 2020 veröffentlichten „Nationalen Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung verspricht dieser innovative Energieträger spannende Entwicklungen im Mobilitätssektor. Im Kontext urbaner Mobilität sollte Wasserstoff daher neben der Batterietechnologie als weiterer Baustein in die Systembetrachtung miteinbezogen werden. Sicherlich ist der Hebel zur CO2-Reduzierung des wertvollen Wasserstoffs in der Schwer- und verarbeitenden Industrie noch größer. Doch auch in der Mobilität wird Wasserstoff Lücken im System schließen können – nämlich dort, wo die Batteriespeicher an ihre Grenzen stoßen.

Der mittels Elektrolyse von Wasser erzeugte gasförmige oder flüssige Energieträger hat den großen Vorteil, dass während des Herstellprozesses keine CO2Emissionen anfallen. Zudem kann die Energie aus regenerativen Quellen wie Sonne, Wind und Biomasse durch die Erzeugung von Wasserstoff gespeichert und zum Verbraucher transportiert werden. Das sind beispielsweise Tankstellen, wo vor allem Lkws, also der Schwertransport, damit betankt werden sollen. Erste deutsche Städte wie zum Beispiel Frankfurt am Main arbeiten bereits an Konzepten einer regionalen Wasserstoff-Wertschöpfungskette. Auch führende Technologieunternehmen sind ganz vorne dabei: So baut zum Beispiel Siemens an seinem Standort in Görlitz ein Wasserstoff-Forschungszentrum, in dem die Erzeugung, Speicherung und Nutzung des innovativen Energieträgers untersucht werden. Die Chance liegt damit in der Schaffung eines geschlossenen und lokalen Energie- Ökosystems, das Energie flexibel zur Verfügung stellt – und zwar dort, wo sie gerade benötigt wird.

Bei der echten Mobilitätswende kommt es auf den richtigen Mix an. Denn der Fokus auf einen Energieträger führt genauso zum Kurzschluss wie die Bevorzugung eines Mobilitätsträgers mehr Stillstand als Fortschritt erwirkt. Sinnvoll ist deswegen: Das Auto für die kurze Strecke fährt elektrisch, der Bus für den täglichen Weg zur Arbeit nutzt Wasserstoff und die Straßenbahn wird aus 100 Prozent regenerativem Strom angetrieben. Wer doch noch seinen geschätzten „Verbrenner“ im Stadtverkehr zirkulieren lassen möchte, greift auf synthetische Kraftstoffe als Brückentechnologie, sogenannte eFuels, zurück. Damit kann die bestehende Flotte an Fahrzeuge vor einer frühzeitigen Verschrottung gerettet und eine große Menge an grauer Energie eingespart werden.

Vernetzt und nachhaltig mobil in der Smart City

Was die Zukunft der urbanen Mobilität auszeichnen muss: Sie ist vielfältig, multimodal, bedarfsgerecht und nutzerfreundlich. In einer Smart City oder Stadt der Zukunft bringt die dezentral und klimafreundlich erzeugte Energie die Bewohner in Bewegung – ob mit dem Bus, Zug oder geteilt genutztem Auto. Morgens aus dem Haus über den Kindergarten zur Arbeit, danach zum Supermarkt, ins Fitnessstudio oder Kino und wieder nach Hause – in einer clever geplanten Smart City stehen Menschen verschiedenste nachhaltige Mobilitätslösungen zur Verfügung. Die meisten Strecken bestreiten sie in der Stadt der kurzen Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Das Quartier, in dem sie wohnen, erzeugt selbst Energie, die von Wohnungen genauso wie von Elektroautos genutzt wird. Eine Seilbahn bringt Pendler schnell und emissionsfrei von A nach B. Und smarte Technologien und Apps erlauben es, alle Verkehrsmittel effizient miteinander zu kombinieren und den Energieverbrauch optimal zu steuern. All das mag nach einem Idealbild klingen, doch es gibt schon Städte wie Kopenhagen und Singapur, die diese Ideen verwirklichen. Hierzulande sind es vor allem Quartiersentwicklungen wie das Quartier Heidestraße in Berlin, die solche innovativen Lösungen umsetzen.

Diese Kolumne ist Teil des von Drees & Sommer veröffentlichten Dossiers „Aus sicherer Quelle – Sonne oder Wind? Wärme oder Wasserstoff? Erneuerbare Energie hat viele Gesichter“. Hier geht es zum Download des gesamten Energie-Dossiers.

Über die Autoren:

Fabian Gierl absolvierte nach seinem Master in Geographie an der Universität Bayreuth den Master in Stadtplanung an der Hochschule für Technik in Stuttgart. Seit 2016 berät er bei Drees & Sommer Kunden im Bereich der Mobilität. Neben Mobilitätskonzepten für Unternehmen, Immobilien und Stadtquartiere, entwickelt er Konzepte bis zur Ebene von Metropolregionen. Fabian Gierl ist darüber hinaus Mitglied des H2-Core-Teams von Drees &Sommer und verknüpft Themen der Mobilität und der Quartiersentwicklung mit Potenzialen im Bereich des Wasserstoffs. Im Rahmen seiner Tätigkeit im Bereich der Entwicklungsberatung liegt eine Kerntätigkeit in der Beratung und Entwicklung nachhaltiger Stadtquartiere.

 

Jan Vorkötter studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Darmstadt und der TU Berlin. Als Infrastrukturberater ist er seit 2016 bei Drees & Sommer für private und öffentliche Auftraggeber in der Prozess- und Organisationsberatung tätig. Zu seinen Kunden zählen u. a. Energieversorger, Verkehrsunternehmen und Kommunen wie Stuttgart, Münster und Rüsselsheim. In den jüngsten Projekten, die sich von Rückbauvorhaben von Kernkraftwerken über Entwicklungsvorhaben von Offshore-Windkraft bis hin zu städtischen Ladeinfrastrukturkonzepten erstreckten, konnte Jan Vorkötter die vielfältigen Herausforderungen der Energiewende sowie die direkte Schnittstelle zur Mobilitätswende mitgestalten.

 

Drees & Sommer: Innovativer Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben.

Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 46 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Alle Leistungen erbringt das partnergeführte Unternehmen unter der Prämisse, Ökonomie und Ökologie zu vereinen. Diese ganzheitliche Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.

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