Drees & Sommer Immobilienkolumne – Mehr Anreize für Flächenrecycling schaffen

Nutzen, was schon da ist: Denn echte Nachhaltigkeit setzt ein Wiederverwertungspotenzial voraus. Das gilt für Elektrogeräte und Modeartikel genauso wie für Baumaterialien.

Wieso also nicht größer denken, ganze verlassene Areale reaktivieren und so der Neuversiegelung von Grünflächen entgegenwirken? Leerstehende Brachflächen sind dazu oft in urbane Gebiete integriert, wo bebaubare Flächen knapp sind. Es wäre also nur konsequent, diese umzunutzen. Doch ganz so einfach ist das nicht: Anreize für Bauherren sogenannte Brownfields aufwendig zu revitalisieren, sind kaum vorhanden. Im Gegenteil wird ein Flächenrecycling durch Auflagen und bürokratische Hürden erschwert. Das muss sich ändern, wenn das Netto-Null-Flächenverbrauchsziel der Bundesregierung bis 2050 erreicht werden will.

Pro Tag werden in Deutschland derzeit 52 Hektar Neufläche für Siedlungs- und Verkehrsflächen erschlossen. Vor zehn Jahren lag der tägliche Zuwachs noch bei über 120 Hektar. Ein Fortschritt, doch im Sinne der Klimaschutzstrategie nicht ausreichend. Bis 2030 möchte die Bundesregierung den Flächenneuverbrauch auf 30 Hektar pro Tag senken, bis 2050 soll er im Rahmen einer Flächenkreislaufwirtschaft bei Null liegen. Das bedeutet, dass netto keine weiteren Flächen für Siedlungen und Infrastruktur bebaut werden. Brachliegenden Flächen kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn dieses Ziel erreicht werden will. Hierzu zählen alte Industriestandorte, Bahn- oder Militärflächen. Der deutschlandweite Bestand an Brownfields wird auf über 150.000 Hektar geschätzt.

Flächenversiegelung entgegenwirken

Der Umbau von Brownfields ist mit vielen Hürden verbunden. Er scheitert oft an ungeklärten Zuständigkeiten, dazu erschweren fehlende einheitliche Standards und der Mangel an Vernetzungsmöglichkeiten für Nutzer und Besitzer die Erneuerung der Flächen. Rechts- und Planungsunsicherheiten stellen weitere Hindernisse. Die Grünfläche ist schneller erschlossen, ohne dass aufwendige Gutachten zur Untersuchung auf Schadstoffe und Altlasten durchgeführt werden müssen oder es durch regulatorische Auflagen zu Verzögerungen kommt. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Flächenrecycling aufwendig und kostspielig. Dabei nehmen Brownfield-Entwickler eine große Verantwortung in die Hand, versiegelte Flächen neu aufzuwerten und wieder nutzbar zu machen – darin müssen sie unterstützt werden.

Mit der Revitalisierung bereits genutzter Flächen werden Grünflächen nicht nur vor Neuversiegelung geschützt, sondern auch wiederbelebte Räume in bereits bestehenden und zumeist gut angebundenen Infrastrukturen geschaffen. Brownfields liegen häufig verkehrsgünstig in Stadtgebieten und verfügen über energieeffiziente Strukturen wie ein Strom-, Wasser- und Datennetzwerk. Gerade die Logistikbranche sucht händeringend nach innerstädtischen Flächen und würde von der Umnutzung profitieren.

Trostlost Brachflächen gehören der Vergangenheit an

Damit das Potenzial von Brachflächen erkannt wird und sich mehr Bauherren der Herausforderung stellen, hat sich Anfang 2021 der Deutsche Brownfield Verband (DEBV) auf Initiative des Netzwerks für Revitalisierungsprojekte Brownfield24 gegründet. Zu den Zielen des Verbands zählen die Erstellung einer Machbarkeitsstudie für ein bundesweites Brachflächenkataster in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut und dem Dienstleister Spacedatists GmbH, ein transparentes Zertifizierung- und Bonussystem für Sanierungen, schnellere Genehmigungsverfahren und Fördermittel für Flächenrevitalisierung für Kommunen. Außerdem soll Brownfield-Sanierung in Studienprogramme an Universitäten und Fachhochschulen integriert werden. Vor allem aber gilt es darum, Akteure zu vernetzen: 100 Mitglieder zählt der Verband ein Jahr nach seiner Gründung. Aus dem Zusammenschluss wird die Expertise zum Thema auf vielen Ebenen gebündelt.

Projekte wie das Quartier Neckarspinnerei in Wendlingen zeigen, wie das Potenzial alter Flächen genutzt werden könnte: Das denkmalgeschützte Areal wird im Rahmen der IBA‘27 für eine Mischnutzung aus Gewerbe und Wohnen aufgefrischt. Mischnutzungen wie diese spielen zukünftig eine größere Rolle. Der Trend geht weg von reinen homogenen Nutzungen wie Bürosilos, Wohnhochhäusern und Einkaufsstraßen hin zu einer Stadt der kurzen Wege, in der Arbeiten, Wohnen und Nahversorgung in direkter Nachbarschaft liegen. Und alte Industriebauten mitten in der Stadt eigenen sich dafür besonders gut.

Über den Autor:

 

Mustafa Kösebay betreut als Associate Partner der Drees & Sommer SE Flächenentwicklungen und Masterplanungen – auch im internationalen Umfeld. Nach seinem Bauingenieurstudium an der Hochschule für Technik in Stuttgart spezialisierte er sich auf immobilienwirtschaftlichen Beratung für Grundstückseigentümer und Investoren. Bei Drees & Sommer verantwortet er außerdem das Thema Blue City. Zu seinen Referenzprojekten gehören unter anderem Quartiersentwicklungen in Duisburg, Luxemburg und das Forschungsprojekt UrbanLife+ in Mönchengladbach. Darüber hinaus lehrt Mustafa Kösebay heute an der Hochschule für Technik in Stuttgart die Fächer Projektentwicklung und Immobilienwirtschaft.

 

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Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 46 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Alle Leistungen erbringt das partnergeführte Unternehmen unter der Prämisse, Ökonomie und Ökologie zu vereinen. Diese ganzheitliche Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.

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