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Drees & Sommer Immobilienkolumne – Neue Arbeitswelt: Das gesunde Maß der Dinge

Unvorhergesehene Situationen sind für die Baubranche ein vertrautes Gebiet. Mal macht das Wetter nicht mit, mal werden Baumaterialien nicht pünktlich geliefert.

Trotzdem muss die Baustelle am Laufen gehalten werden. Solche flexiblen Anpassungen an immer neue Gegebenheiten sind Tugenden, die besonders in Corona-Zeiten wichtig sind. Wer jetzt handelt, kann die Zäsur der Pandemie nutzen. Dafür muss hinterfragt werden: Was wollen wir beibehalten, was muss sich ändern?

Das Wohnzimmer als Büro

Laut einer Umfrage des Branchenverbands BITKOM arbeitete während der Corona-Hochphase im März jeder Zweite zumindest teilweise von zu Hause aus. Von der Büroassistenz bis zur Kanzlerin tauschten Arbeitnehmer das Großraumbüro mit den eigenen vier Wänden, um sich und andere vor einer Ansteckung zu schützen. Viele der unfreiwilligen Heimarbeiter wollen auch nach Corona das Home-Office nicht mehr missen. Doch ist gerade in Deutschland für Arbeitgeber vielerorts die physische Präsenz wichtig. Der Kollege nicht im Neben-, sondern zuhause im Wohnzimmer? Vor der Pandemie war dies für viele nur schwer vorstellbar. Die Corona-Krise hat gerade für Büroarbeitsplätze zu einem nie dagewesen Feldversuch geführt. Mit den zunehmenden Lockerungen wird aber ein Teil der Arbeitnehmer in das Büroleben zurückkehren wollen. Es fehlen die persönlichen Kontakte, die menschliche Nähe, der ungezielte Austausch auf dem Flur. Andere werden künftig häufiger im Home-Office arbeiten wollen. Das wird massive Auswirkungen auf die Gestaltung der Arbeitsplätze haben.

Das gesunde Maß der Dinge

Auch wer in diesen Tagen ins Büro zurückkommt: Es wird nicht mehr das alte sein, sondern eines mit Absperrungen, Markierungen, Zugangsregeln und Trennwänden. Dafür wurden vom Bundeskabinett einheitliche Regelungen beschlossen. Einiges davon wird auch lange nach Corona noch gelten: Durch die Corona-Schutzmaßnahmen und durch das steigende Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung wird eine gesunde Umgebung auch im Arbeitsalltag wichtiger werden.

Neben Hygienekonzepten gehört dazu auch, beim Bauen und in der Ausstattung des Innenraums auf gesundheitsfördernde Materialien zu setzen. Nach wie vor kommen nämlich auch in Büroimmobilien oftmals Baumaterialien zum Einsatz, die gesundheitsschädliche Emissionen entwickeln, wie etwa bestimmte Stoffe in Lacken, Farben und Tapeten. Bedenkt man die Tatsache, dass wir den größten Teil des Tages in Gebäuden verbringen, ist das besorgniserregend. Das Büro der Zukunft muss daher auf gesundheitsschädliche Baustoffe komplett verzichten. Mehr noch: Idealerweise werden Gebäude so gebaut, dass die eingesetzten Ressourcen auch nach Abriss in gleich oder höherer Qualität wiederverwendet werden können. Gebäude werden so von Schadstoff- zu Materiallagern.

Lage ist nicht alles

Jahrelang standen Büroimmobilien auf der Einkaufsliste von Investoren ganz weit oben. Noch im ersten Quartal 2020 stieg das Investmentvolumen um zwei Drittel auf 16,8 Mrd. Euro, so eine Analyse des Immobiliendienstleisters BNP Paribas Real Estate. Spitzenreiter vor Retailobjekten sind Büroimmobilien, die mit 6,3 Mrd. Euro für gut ein Drittel des Umsatzes verantwortlich waren. Vor allem die A-Standorte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) verzeichneten ein starkes Umsatzplus. Da davon auszugehen ist, dass Home-Office künftig stärker in die Arbeitswelt der Zukunft integriert wird, können B- und C-Standorte als Gewinner aus der Krise gehen. In einer Welt, in der Büronutzer nicht länger jeden Tag vom selben Ort aus arbeiten müssen, wird neben der Lage vor allem die digitale Infrastruktur wettbewerbsentscheidend. So kann eine Immobilie mit Top-Anschluss in B-Lage mit einem 1A-Standort konkurrieren. Außerdem führt eine neue Arbeits- und Kommunikationskultur zu einer Vermischung verschiedener Lebensbereiche. Wohnen, Büro und Freizeit werden sich künftig noch stärker annähern. Diese unterschiedlichen Asset-Klassen zueinander zu führen und Erlebniswelten für die Nutzer zu schaffen, sind aktuelle Herausforderungen der Bau- und Immobilienwirtschaft.

Change als Chance

Am Anfang eines Wandels steht nicht selten eine Krise. Gleichzeitig kann sie aber auch einen Wendepunkt markieren. Aus dem erzwungenen Stillstand der letzten Monate können wir auch lernen. Bereits vor Corona hat sich abgezeichnet, was während der Krise überdeutlich wurde: Den einen Arbeitsplatz gibt es nicht mehr. Die Grenzen zwischen beruflich und privat werden stärker verschwimmen, die Analogie vom Unternehmen als universell verfügbare Cloud drängt sich auf. Die Mitarbeiter sind so unabhängig, verteilt und doch zusammen. Wenn wir diese Entwicklungen berücksichtigen, wird aus der Rückkehr zur Normalität ein Aufbruch zum Besseren.

Autor: Steffen Szeidl, Vorstand der Drees & Sommer SE

Steffen Szeidl absolvierte sein Studium der Architektur an der Technischen Universität Darmstadt und der Eidgenössischen-Technischen Hochschule Zürich (ETH). Seit Januar 2015 ist Steffen Szeidl Vorstand der Drees & Sommer Gruppe und verantwortet u.a. neben den Bereichen Finanzen, IT und Unternehmenskommunikation auch die Digitalisierungs-Strategie des Unternehmens.

Drees & Sommer: Innovativer Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben.

Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die 3.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 43 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Alle Leistungen erbringt das partnergeführte Unternehmen unter der Prämisse, Ökonomie und Ökologie zu vereinen. Diese ganzheitliche Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.

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