Drees & Sommer Immobilienkolumne – Wasserstoffwirtschaft: Grün und Global

Wer im Chemieunterricht aufgepasst hat, der kennt die Nummer eins im Periodensystem: Wasserstoff. Und wer sich eher wenig für die Lehre von Stoffen und ihren Eigenschaften interessiert hat, dem ist er in letzter Zeit vielleicht als möglicher neuer umweltfreundlicher Treibstoff begegnet. So oder so könnte Wasserstoff zum neuen Star der Energieversorgung werden – vorausgesetzt, dass momentan noch enorme Herausforderungen bewältigt werden.

Bis 2050 will die EU laut dem Green Deal klimaneutral werden. Damit das klappt, muss an einigen Stellschrauben schleunigst gedreht werden. Eine Komponente könnte der vermehrte Einsatz von Wasserstoff sein, vor allem in seiner „grünen“ Variante. Deutschland hat dieses Potenzial erkannt und im Juni 2020 eine Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet, neun Milliarden Euro Fördermittel inklusive, damit Wasserstoff im großen Stil marktfähig wird.

Denn in seiner reinen Form kommt Wasserstoff auf der Erde kaum vor. Herstellen lässt er sich prinzipiell zwar recht einfach: Mit Strom wird Wasser durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Letzterer kann umweltverträglich in die Umgebung abgegeben werden, der entstandene Wasserstoff hingegen wird gasförmig oder in Form eines flüssigen Brennstoffs als Energiespeicher verwendet. In dieser Form lässt er sich leicht transportieren und bei Bedarf wieder nahezu emissionsfrei als Energiequelle für die Strom- und Wärmeerzeugung, als Treibstoff im Verkehrswesen oder als Grundstoff in der Industrie nutzen. Die Herausforderung: Wirklich klimafreundlich ist der Wasserstoff erst dann, wenn bei seiner Produktion auch regenerativer Strom zum Einsatz kommt. Und daraus ergibt sich derzeit noch ein Kostenproblem. Grüner Wasserstoff kostet gut zehn Euro je Kilogramm. Bei grauem Wasserstoff, der zu 99 Prozent aus Erdgas mittels Dampfreformierung hergestellt wird, sind es etwa zwei bis drei Euro.

Ohne Importe geht es nicht

Davon abgesehen ist dieser Strom im Moment nicht nur teurer, sondern auch rar. Wind und Sonne liefern hierzulande noch nicht die Mengen an regenerativer Energie, die es für die Produktion des grünen Wasserstoffs braucht. Notwendig sind deshalb Energieimporte, die entweder als Solarstrom aus Leitungen oder als Wasserstoff über Pipelines oder Schiffe nach Deutschland kommen. Für derartige Partnerschaften sind laut der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung rund zwei Milliarden Euro vorgesehen. Vorzugsweise sollen die Verträge mit nordafrikanischen Ländern – dort gibt es besonders viel günstige Sonnenenergie – abgeschlossen werden, wodurch eine Win-Win-Situation entstehen kann: Für Europa wäre dies die Versorgungssicherheit mit einem nachhaltig hergestellten Energieträger, für die afrikanischen Regionen mehr Wohlstand.

Von Abnehmern und Anbietern

Mittel- bis langfristig stellt sich allerdings nicht nur die Frage des ausreichenden und wirtschaftlichen Angebots, sondern auch die, wer künftig in erster Linie Abnehmer sein sollte. Der Durst nach Wasserstoff ist groß, etwa in der Stahlindustrie, in Raffinerien und der chemischen Industrie. Doch auch andere Bereiche können Wasserstoff gut gebrauchen. In der Mobilität zeichnet sich schon jetzt ab, dass die schwere Straßenlogistik, also Fahrzeuge mit mehr als 7,5 Tonnen, und auch die Luft- und Schifffahrt auf flüssige Kraftstoffe angewiesen sein werden.

Neben Angebot und Nachfrage spielt auch die Infrastruktur eine entscheidende Rolle: Der Wasserstoff muss auf einem effizienten und kostengünstigen Weg vom Erzeuger zum Verbraucher kommen. Energieversorger und Netzbetreiber wie EnBW, Uniper und TenneT, aber auch viele Stadtwerke wie Mainova beschäftigen sich damit schon lange. Sie legen einen wichtigen Grundstein für die schon heute dringend von der Industrie benötigte und auch auf Wasserstoff gestützte Energie-Infrastruktur. Begleitet werden sie dabei auch von der Drees & Sommer SE, die die Energiebranche beim Aus- und Umbau ihrer Versorgungsinfrastruktur sowie bei der Realisierung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen begleitet. Auch ein entsprechendes gesamteuropäisches Leitungssystem ist in Planung, das European Hydrogen Backbone. Bis 2030 soll ein 6.800 Kilometer langes Leitungssystem entstehen, das zu 75 Prozent aus umgewidmeten Erdgasleitungen besteht. Ein reines Wasserstoffnetz sowie ein Bio-Methannetz sollen dieses System ergänzen.

Weltmeisterrolle ausbauen bei Wasserstofftechnologie-Exporten

Deutschland nimmt im Bereich der Technologie-Exporte weltweit eine Führungsposition ein. Im Rahmen einer grünen und globalen Wasserstoffwirtschaft gilt es, diese Führungsposition zu stärken und auszubauen. Dazu ist es notwendig, die Anlagen zunächst einmal im eigenen Land aufzubauen und zu testen, bevor sie im großen Stil exportiert werden können.

Damit das gelingt, sind neben klug gestalteten Fördermaßnahmen auch regulatorische Fragen entscheidend. Beispielsweise könnte eine Befreiung der Wasserelektrolyse von der EEG-Umlage die Produktion wesentlich attraktiver machen. Beim Ausbau der Leitungsnetze ist die Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes gefragt. Auch sollte der Ausbau Erneuerbarer Energien, insbesondere der Windkraft an Land, nicht ausgebremst, sondern stark beschleunigt werden. Für die eigene grüne Wasserstoffproduktion in Deutschland ist sie die Grundlage. In der kommenden Legislaturperiode wird sicherlich auch das Thema CO2-Bepreisung eine wichtige Rolle spielen. Denn wenn der grüne Wasserstoff – der zunächst erstmal teurer ist – eine Chance gegenüber fossilen Energieträgern haben soll, müssen diese entsprechend besteuert werden. Dazu kommt die Regulatorik auf europäischer Ebene, etwa wenn es um Beimischungsquoten geht.

Kurzum: Der Weg hin zur Wasserstoffrepublik ist noch lang, und der Paradigmenwechsel gelingt nur mit einer klugen Regulierung, mit einer starken Industrie- und Forschungslandschaft und mit internationalen Partnern.

 

Über den Autor:

Thomas Bittner absolvierte sein Studium des Bauingenieurwesens mit dem Schwerpunkt Bauproduktion und Bauwirtschaft an der TU Dortmund. Nach dessen Abschluss startete er im Jahr 2002 bei Drees & Sommer als Projektmanager. Parallel hierzu schloss er im Jahr 2003 seine Weiterbildung zum Immobilienökonom (ebs) ab. Im Jahr 2006 wechselte er zu einem international tätigen Bauunternehmen. Dort war er im Bereich Projekt-, Vertrags- und Claim-Management in der Öl- und Gasindustrie in Afrika tätig und gewährleistete auch in einem schwierigen Projektumfeld, wie dem Nigeria-Delta, Termintreue, hohe Qualitätsansprüche und Budgetsicherheit. Durch seine langjährige Bauerfahrung auf nationalem sowie internationalem Parkett ist er ausgewiesener Fachmann in der Abwicklung komplexer Großprojekte. Sein Know-how setzt er seit 2016 erneut für Drees & Sommer als Senior Teamleiter ein und verantwortet seitdem für das Unternehmen das Projekt des Internationalen Beschleunigerzentrums FAIR.

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