Drees & Sommer Immobilienkolumne – Wenn innere und äußere Werte gleichermaßen zählen

Ältere Bestandsgebäude stehen in dem Ruf, Energiefresser zu sein. Durch eine umfassende energetische Sanierung lässt sich das ändern. Dabei zählen sowohl Maßnahmen an der Außenhülle des Gebäudes – als auch die Technik in dessen Inneren sowie die umgebende Infrastruktur

Rund 35 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie fällt in Wohngebäuden an – vor allem für Heizung und Warmwasser. Und wo viel Energie verbraucht wird, lässt sich auch viel einsparen: Die Energiewende, deren Fokus in den vergangenen Jahren vor allem auf der Stromerzeugung lag, erreicht zunehmend den Gebäudesektor. Man spricht auch von der Dekarbonisierung der Wärmeinfrastruktur.

Die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung sind auch in diesem Bereich durchaus ambitioniert: Bis 2050 soll der Gebäudebestand hierzulande nahezu klimaneutral sein, also bei der Wärmerzeugung per saldo praktisch kein CO2 mehr ausstoßen. Ein Großteil des deutschen Gebäudebestands müsste dafür energetisch auf Vordermann gebracht werden. Doch bislang bleibt die Sanierungsquote noch weit hinter den Erwartungen zurück: Derzeit werden jedes Jahr gerade mal ein Prozent der Gebäude energetisch saniert. Bleibt es dabei, würde nicht einmal die Hälfte des ausgegebenen Ziels erreicht.

Die Probleme, die Bestandsgebäude in energetischer Hinsicht haben, sind vielfältig: Zum einen ist der Wärmeschutz der Außenhülle schlecht – und zum anderen tun in ihrem Inneren Heizungsanlagen ihren Dienst, die auf fossile Energieträger bauen und auch noch so ineffizient sind, dass sie davon sehr viel verbrauchen. Auf diese Weise schaden die Gebäude gleich mehrfach: einmal durch die Ressourcen, die bereits während des Baus verbraucht wurden – und einmal durch jene, die während ihres Betriebs im Wortsinne verfeuert werden.

In Deutschland lassen sich mehr als zwei Drittel des Wärmeverbrauchs von Wohngebäuden auf Bestandsbauten von vor 1979 zurückführen, die aber laut Statistischem Bundesamt nur gut ein Drittel (38 Prozent) des Gebäudebestandes hierzulande ausmachen. Im Vergleich dazu erreichen sanierte Gebäude tatsächliche Verbrauchswerte, die nur einen Bruchteil davon betragen. Der größte Handlungsbedarf und auch das größte Potenzial bestehen somit vor allem in der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden.

Wer hier auf innovative Neuerungen setzt, leistet gleich in mehrfachem Sinne einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. Zum einen ist es dabei wichtig, Wärme nicht mehr durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Gas oder gar Öl zu erzeugen, sondern auf Wärmepumpen zu setzen. Denn langfristig gilt Strom als Energieträger der Zukunft. Wärmepumpen nutzen die natürliche Wärme der Erde und der Luft aus. Hierzu wird Kältemittel mit Umgebungswärme bei niedrigem Temperaturniveau verdampft. Im Kompressor wird dieses Gas verdichtet, so dass bei höherem Druck und höherer Temperatur die Wärme im Kondensator an das Heizsystem im Haus abgeben kann. Um 100 Prozent Wärme für die Beheizung eines Gebäudes gewinnen zu können, benötigt die Wärmepumpe lediglich zwischen 25 und 35 Prozent Strom als Antriebsenergie – die restlichen 65 bis 75 Prozent sind Umweltwärme.

Den für den Betrieb der Wärmepumpen notwendigen Strom sollte aus nachhaltigen Quellen kommen. Dazu kann man zum Beispiel auf Photovoltaikanlagen auf dem Dach setzen – oder auch Fassadenelemente aus Photovoltaikmodulen. Diese könnten dann dafür sorgen, dass die Fassade nicht nur energetisch vorteilhaft ist, sondern auch noch Strom produziert. Vorhang-, Doppelglas- sowie integrierte Fassaden leisten einerseits einen wichtigen Beitrag zu mehr Energieeffizienz und bestehen zugleich aus recyclingfähigen Materialien, die sich nach dem Ende der Nutzungsdauer wiederverwerten lassen. Gleiches gilt für Holzverkleidungen: Sie punkten sowohl mit guten Dämmeigenschaften als auch mit ihrer Kreislauffähigkeit.

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden weltweiten Urbanisierung und einer immer dichteren Bebauung werden konstruktive und ästhetische Fassadenlösungen für Bestandsgebäude wie Neubauten immer stärker nachgefragt. Zugleich gilt es aber auch, die Technik in den bestehenden Gebäuden zu verändern und die Infrastruktur entsprechend anzupassen. Dass Investitionen sich durchaus rechnen und ein nachhaltiges und energieeffizientes Gebäude die Zukunftsfähigkeit bedeutet, ist vielen Bauherren und Immobilienbetreibern noch nicht bewusst. Zum Beispiel amortisieren sich Photovoltaikanlagen innerhalb von weniger als 10 Jahren. Auch die Amortisationsdauer von Geothermie-Anlagen, die im Winter mit einer Wärmepumpe zum Heizen und im Sommer zum direkten Kühlen des Gebäudes genutzt werden, beträgt in der Regel 10 bis 12 Jahre für Bürogebäude.

Für ein wirtschaftliches Gesamtergebnis ist jedoch eine ganzheitliche Betrachtung unabdingbar. Gerade in Ballungsräumen bedeutet das, auch die Fernwärme-Infrastruktur umzubauen, um großflächig klimaneutral werden zu können. Nach dem Vorbild Dänemarks sollte die Fernwärme von Hoch- auf Niedertemperatur umgestellt werden, was bedeutet, die Wärmetauscher in den mit Fernwärme versorgten Bestandsgebäuden auszutauschen. Vorreiter in dieser Hinsicht sind häufig Industrieanlagen, bei denen eine strategische Umgestaltung von Gebäuden und Infrastruktur mithilfe von Fünf- bis Zehnjahresplänen stattfindet. Auch die Förderlandschaft bietet erhebliche Möglichkeiten, um den Umbau in eine nachhaltige Infrastruktur unterstützen zu lassen.

Denn nur durch eine ganzheitliche Betrachtung von Gebäuden und der umgebenden Infrastruktur kann es zukünftig möglich werden, Gebäude tatsächlich CO2-neutral werden zu lassen. Ein Weiter-wie-bisher reicht nicht aus, wenn die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung im Gebäudebereich noch annähernd erreicht werden sollen.

Über den Autor:

Michael Bauer gehört seit 2005 zu den Partnern von Drees & Sommer. Bereits seit 1999 ist er am Standort Stuttgart Experte der Bereiche Energiedesign, Gebäudetechnik und Green Building. Seine Schwerpunkte sind die gewerkeübergreifende Planung und Optimierung von Gebäudetechnik – Raumklimatechnik – Bauphysik – und Fassadentechnik, das Entwickeln innovativer Energiekonzepte und neuer Planungs- und Inbetriebnahmemethoden mit BIM. Zu seinen Referenzprojekten gehören unter anderem die Experimenta Heilbronn und die Entwicklung A-Plus des Flughafen Frankfurt. Michael Bauer absolvierte sein Studium mit Schwerpunkt energiesparende Gebäudetechnik an der Universität Stuttgart, wo er heute selbst als Honorarprofessor an den Instituten Baubetriebslehre und Gebäudeenergetik lehrt.

 

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Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 46 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Alle Leistungen erbringt das partnergeführte Unternehmen unter der Prämisse, Ökonomie und Ökologie zu vereinen. Diese ganzheitliche Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.

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