Kann Blockchain neben Kryptowährungen auch Grundbuch?
Die Blockchain-Technologie ist vor allem durch Kryptowährungen wie Bitcoin vielen ein Begriff geworden. Die Community glaubt an die facettenreichen Anwendungsmöglichkeiten. Nun träumt sie von der nächsten Innovation: dem Blockchain-Grundbuch. Teilweise sind diese Hoffnungen berechtigt, ganz ablösen wird die Technologie das klassische Grundbuch in Deutschland aber wohl nicht.
Die Blockchain-Community träumt von Immobilienerwerb innerhalb weniger Tage, derweil sehen Experten das besonders in Deutschland kritisch.
Gesetz stößt erneuten Diskurs an
Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) im Mai 2021 ebnete der Bundestag den Weg für elektronischen Handel mit Krypto-Wertpapieren. Durch sogenannte “Tokens” werden Verfügungsrechte digital durch die Blockchain-Technologie fälschungssicher dargestellt. Das macht Intermediäre wie Fondsverwaltungen oder Banken bei einem Kauf oder Verkauf überflüssig.
Das Gesetz “sieht als Kernstück die Öffnung des deutschen Rechts für elektronische Wertpapiere vor. […] Das bedeutet, dass die bislang zwingende urkundliche Verkörperung von Wertpapieren aufgegeben wird.”, schreibt das Bundesfinanzministerium dazu.
Token-basiertes Grundbuch
Die eWpG-Regelung ist zwar zunächst auf Anteile an Sondervermögen und Inhaberschuldverschreibungen beschränkt, hindert die Blockchain-Community aber nicht daran, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Schließlich lässt sich im Prinzip jeder Vermögenswert der Welt digitalisieren. So träumen sie von der Ablöse des klassischen Grundbuchs durch Blockchain.
Der Leiter der Technology Innovation Unit der Technologieagentur Turbine Kreuzberg, Timothy Becker, erklärt Haufe gegenüber, das Modell eines Token-basierten Grundbuchs: “Für jedes Grundstück wird ein eindeutiger Eintrag in Form eines NFT (Non-Fungible Token) auf der Blockchain erstellt. Wer Halter des Tokens ist, ist Eigentümer des Grundstücks. Wird ein Token auf einen anderen Eigentümer übertragen, dann werden so die Besitzverhältnisse überprüfbar verändert.”
Eine Blockchain ist vergleichbar mit einer dezentral organisierten Datenbank. Sie kann die Transparenz von Registern jeglicher Art erhöhen und ist nachträglich kaum manipulierbar. Die Technologie ist besonders als Basis für Kryptowährungen wie Bitcoin bekannt und könnte klassische Bezahlsysteme bald überflüssig machen.
Schwedisches Modellprojekt zeigt Potenzial
In Deutschland gilt das Grundbuchs- und Grundstückswesen als besonders sicher. Denn hier sind wichtige Intermediäre wie Notar, Grundbuchamt und manchmal auch Rechtsanwälte bei einem Kauf oder Verkauf zwischengeschaltet. Das deutsche Recht erfordert die Miteinbeziehung von Notaren – auch zu Beratungszwecken.
Bei dem in diesem Zusammenhang oft als zukunftsweisend erwähnten Modell-Projekt in Schweden 2016 wurden Notare zwar, wie bei allen Grundstücksdeals dort, nicht eingeschaltet, die Blockchain-Technologie kam dabei aber auch nur ergänzend zum Einsatz: “Es handelt sich bei diesem Projekt aber nicht – wie oft behauptet wird – um ein Blockchain-basiertes Grundbuch. Das Ganze ist vielmehr eine auf eine sogenannte private Blockchain gestützte digitale Transaktionsplattform, auf der nur bestimmte, vertrauenswürdige Teilnehmer, wie z.B. registrierte Banken und Bevollmächtigte sowie das Lantmäteriet [schwedisches Landesvermessungsamt], Transaktionen und Blocks validieren dürfen”, erklärt Dr. Daniel Graske, Senior Associate der Rechtsberatung TaylorWessing. Teil dieses Projektes war eine App-basierte Smart-Contract-Lösung. Der beim Kaufvertragsabschluss über die Blockchain zur Anwendung kommende Prozess konnte die Dauer der Grundstücksübertragung in Schweden von vier bis sechs Monaten automatisieren und auf wenige Tage verkürzen.
Das Fachblog Blockchainwelt erklärt, mithilfe von Smart Contracts könnte es via Blockchain künftig möglich sein, “Miet- und Mietverträge zu gestalten, notwendige Daten für die Immobilienbewertung vorzuhalten und auszuwerten, Dienstleister entlang der Wertschöpfungskette zu beauftragen, Grundstücksdaten abzubilden sowie schutzbedürftige und sensible Daten zu speichern.”
Notar in Deutschland weiterhin nötig
Für den Notar und Honorarprofessor an der Hochschule Harz Prof. Dr. Maximilian Zimmer wäre eine Kombination aus alt und neu die wohl effektivste Variante. So sei eine vorherige Prüfung der Dokumente, also der späteren Datensätze auf der Blockchain, auf ihre Wirksamkeit durch beispielsweise Notare und Grundbuchämter die sicherere und in Deutschland denkbarere Variante. Schließlich sei ohne fachliche Überprüfung nicht garantiert, dass das begründete Recht auch rechtmäßig sei. Auch die Experten von Blockchainwelt sind der Meinung, statt Notare außen vor zu lassen, solle man ihre Arbeit in die Blockchain einbinden.
Der Einsatz der Blockchain kann womöglich also die Eigentumsumschreibung beschleunigen, es brauche jedoch weiterhin mindestens einen Korrekturmechanismus, erklärt auch Christian Heinze, Professor am Institut für Rechtsinformatik der Leibniz Universität Hannover gegenüber dem Handelsblatt. So hinge der Einsatz der Blockchain neben den technischen Möglichkeiten eben auch von der Leistungsfähigkeit bestehender Register und des Regulierungsumfelds ab.
Es bleibt abzuwarten, wie die Blockchain-Strategie für Deutschland aussieht.
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