Mieterland Deutschland: Warum leben so viele Deutsche zur Miete?

Es gibt kaum ein Land in Europa, in dem so viele Menschen zur Miete wohnen wie in Deutschland. Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen und günstigen Finanzierungsmöglichkeiten fragt man sich, warum ist das so?

Mehr als die Hälfte der Deutschen sind Mieter

Knapp die Hälfte der Deutschen wohnt zur Miete. Zu diesem Ergebnis ist man bei einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte gekommen. Demnach würden 54 Prozent der Deutschen tausende Euro im Jahr einem Vermieter geben und nicht in die eigenen vier Wände investieren. Im europaweiten Vergleich hinkt das Land der Dichter und Denker bei der Eigentümerquote weit hinterher: Die Mieterquote am Wohnungsmarkt der meisten anderen EU-Länder beträgt höchstens 25 Prozent.

Historische Gründe

Warum ist das so? Angesichts der niedrigen Zinsen und damit rekordgünstigen Finanzierungsbedingungen, war es nie so einfach eine eigene Immobilie zu erwerben. Der deutsche Immobilienmarkt ist zwar von steigenden Immobilienpreisen geprägt, im europaweiten Vergleich sind die Preise aber noch vergleichsweise niedrig: Während man in Tschechien beispielsweise 11,2 Bruttojahresgehälter für eine eigene Immobilie hinblättern muss, sind es in Deutschland “gerade mal” fünf Jahresgehälter. Zudem verfügt Deutschland über eine starke Wirtschaft, niedrige Arbeitslosenquote und zahlreiche Finanzierungsmöglichkeiten.

Und doch leben mehr als die Hälfte der Deutschen zur Miete. Warum? Die Antwort ist simpel, man muss nur einen Blick zurück in die Geschichte werfen. Nach dem zweiten Weltkrieg waren viele deutsche Städte – und damit viel Eigenkapital – zerstört. Es musste für die Menschen schnell neuer Wohnraum geschaffen werden, obwohl gleichzeitig nicht genügend Kapital vorhanden war. Also “hat der Staat sehr schnell und einfach im Mietwohnungsbau gebaut und sich später langsam aus dem Bereich zurückgezogen”, wie Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg, gegenüber Business Insider verlautete.

In den Mietwohnungen seien die Menschen dann aufgrund der niedrigen Mietkosten gerne und länger geblieben. In der ehemaligen DDR war der Erwerb einer eigenen Immobilie nur eingeschränkt möglich und Mietwohnungen so stark vom Staat subventioniert, dass es sich mehr lohnte, zur Miete zu wohnen. Somit war die Eigentümerquote in den neuen Bundesländern lange Zeit niedriger als in den alten, wobei sich die Diskrepanz zwischen den Bundesländern immer mehr zu verkleinern scheint.

Teure Städte und hohe Immobilienkosten

Darüber hinaus spielen auch die steigenden Immobilienpreise eine Rolle, die in Städten wie Hamburg, Berlin, München oder Köln besonders spürbar sind. Gerade einmal ein Viertel der Einwohner wohnt hier in den eigenen vier Wänden. Es bestehe laut Just ein großer Druck auf Städte, da sie von einem großen Ansturm durch besondere Gruppen wie Einwanderer oder Studenten, durch den doppelten Abiturjahrgang, heimgesucht wurden. Dieser Druck trieb die Mietpreise in die Höhe. Dieser dürfte sich in den kommenden Jahren allerdings legen und die Wohneigentumsquote steigen.

Doch es gibt noch weitere Faktoren, die die Finanzierung der eigenen Immobilie erschweren: Anders als im europäischen Ausland ist in Deutschland das Eigenheim nicht schuldzinsenabzugsfähig, das bedeutet, dass private Hypothekenzinsen nicht von der Steuer abgesetzt werden können. Zudem ist der “Zugang zur eigenen Immobilie […] für Menschen mit wenig Eigenkapital sehr schwer”, wie Just weiter verlautete. Es sollten mindestens 25 bis 30 Prozent des Immobilienpreises vorhanden sein, was für Gering- und Normalverdiener eine hohe Hürde darstellt.

Besonders angesichts der hohen Kaufpreisnebenkosten, wie Ausgaben für Notar und Maklergebühren oder die Grunderwerbssteuer, die bis zu 14 Prozent des Kaufpreises ausmachen. Dass diese im internationalen Vergleich ebenfalls höher sind, führt der Regensburger Professor darauf zurück, dass in Deutschland “qualitativ recht hochwertig gebaut” wird – “hinzu kommen viele Bauauflagen wie die Parkraumbewirtschaftung oder energetische Auflagen”, wie Business Insider weiter berichtet.

Kapitalmangel als größter Faktor

Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass mangelnde Kapitaleinlagen heutzutage die größte Hürde darstellen. Dies geht auch aus einer Kantar-Emnid-Umfrage im Auftrag der Postbank hervor. Die meisten Befragten im Alter von unter 40 Jahren wünschen sich ein Eigenheim, können es sich aber aufgrund der hohen Kosten schlichtweg nicht leisten. Gleichzeitig lässt sich laut einer weiteren Umfrage des Verbandes der Privaten Bausparkassen aber der Trend beobachten, dass immer weniger Deutsche für die eigene Immobilie sparen und ihr Geld lieber für Rente oder Konsum zurücklegen.

Dabei ist es wichtig, sich genügend Kapital zur Seite zu legen. “Wir empfehlen unseren Kunden, mindestens die Erwerbsnebenkosten aus eigenen Mitteln zu bezahlen”, wie Postbank Expertin Eva Grunwald gegenüber dem Berliner Sonntagsblatt äußerte.

Nicht zuletzt ist der Besitz einer eigenen Immobilie auch mit Nachteilen behaftet. Wer in den eigenen vier Wänden wohnt, ist nicht flexibel und hat es schwerer, umzuziehen. Finanzielle Nachteile entstehen, wenn man zu lange am selben Standort wohnt, wo man laut Just “langfristig weniger verdient”. Und damit sich eine Immobilie im hohen Alter rentiert, müsste sie bis dahin abgezahlt sein und anstehende Renovierungen im Rahmen des Rentenbudgets liegen. Letztendlich gibt es Menschen, die einfach gerne zur Miete wohnen und damit zufrieden sind.

Bildquellen: Zerbor/Shutterstock.com