Experte im Interview: „Einen längerfristigen Investitionsstau kann sich kein Shopping-Center mehr leisten“

Joachim Meyer ist Head of Asset Management Special Products bei der RREEF Management GmbH. Unter anderem befasst er sich in dieser Rolle mit Einkaufszentren als Investitionsobjekte. Wie sich die Einkaufstempel im aktuellen Marktumfeld schlagen und worauf er bei einem Investment achtet, erzählte er uns im Interview.

Herr Mayer, wie schätzen Sie als Experte den Markt für Shopping-Center aktuell ein?

Joachim Mayer: „Der Markt für Shopping-Center ist nach wie vor sehr interessant, da die Shopping-Center als Assetklasse eine etablierte Berechtigung haben, auch weiterhin relativ gut funktionieren und eine nachhaltige Performance aufweisen können. Es gibt allerdings Herausforderungen am Markt, mit denen man umgehen können muss, denn wir befinden uns mitten in einem Strukturwandel des Einzelhandels. Die zunehmende Stärke des digitalen Handels geht auch an Shopping-Centern mit einem hohen Fashion-Anteil nicht spurlos vorbei.“

Was können Shopping-Center tun, um sich vor der digitalen Konkurrenz zu schützen?

Joachim Mayer: „Die Shopping-Center müssen als Location interessant bleiben, um im verstärkten Verdrängungswettbewerb von Standorten bestehen zu können. Sie müssen zunehmend zusätzliche Attraktionen bieten, damit die Menschen sie besuchen. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die Verbesserung des Erlebnischarakters – zum Beispiel weg von klassischen Center Food Courts hin zu gastronomischen Erlebnisbereichen, die dann auch mehr Fläche einnehmen.“

Gibt es noch andere Bereiche abgesehen von der Gastronomie, bei denen Shopping-Center aufrüsten müssen?

Themenspecial Logistik

Der Online-Handel boomt, neue innovative Warenzentren entstehen. Diese Entwicklung können auch Anleger für sich nutzen, denn Logistik-Immobilien bieten hohe Renditen.

Joachim Mayer: „Man muss an der Modernität und Attraktivität der Center arbeiten. Einen längerfristigen Investitionsstau kann sich kein Center mehr leisten. Wir arbeiten bei unseren Einkaufszentren außerdem gemeinsam mit den Shop-Betreibern und dem Center-Management an der Schnittstelle zwischen stationärem und digitalem Einzelhandel, damit Kunden zum Beispiel ihre Ware im Internet bestellen und diese im Laden abholen können. Für dieses Konzept namens „Click & Collect“ sind Center prädestiniert, da die Shop-Betreiber die Möglichkeit haben, auf die vorhandene Infrastruktur der Einkaufszentren zurückzugreifen.“

Man hört auch immer wieder, dass Shopping-Center sich zu einer Art Lifestyle-Hub mit Büros, Praxen und Kulturangeboten entwickeln müssten, um in Zukunft am Markt bestehen zu können. Wie stehen Sie dazu?

Joachim Mayer: „Zu einem großen Teil sind Shopping-Center bereits zu so einem Lifestyle-Hub geworden. Dieses Thema habe ich daher schon als nahezu selbstverständlich abgehakt. Wir haben beispielsweise vor Kurzem in das Einkaufszentrum „Neukölln Arcaden“ in Berlin investiert, das aus meiner Sicht perfekt in diese Kategorie passt. Der Fashion-Anteil ist dort niedrig, das Risiko in diesem Segment also beherrschbar. Außerdem gibt es in dem Shopping-Center ein sehr gut laufendes Kino, eine Zentrale der AOK, ein Fitness-Center, einen großen Nahversorgungsbereich und einen angesagten Club auf dem Dach. Aber natürlich ist so etwas nicht bei jedem Center möglich. Es gibt auch Shopping-Center, die aufgrund von Lage und Struktur für solche Angebote nicht geeignet sind.“

Haben konventionelle Shopping-Center, die kein entsprechendes Potenzial mitbringen, dann überhaupt noch eine Zukunft?

Joachim Mayer: „Für sie wird es zunehmend schwierig werden. Ich vermute durchaus, dass das ein oder andere Center gerade aufgrund der zunehmenden Herausforderungen durch die Digitalisierung Handlungsbedarf bekommt. Aber wie sich ein Shopping-Center in Zukunft schlagen wird, ist immer auch eine Frage von Größe und Standort.“

Welche Faktoren sind für Sie beim Kauf oder einer Investition in ein Shopping-Center wichtig?

Joachim Mayer: „Der zentrale Punkt ist die Lage. Die muss nachhaltig funktionieren. Außerdem spielen noch der bestehende Mietermix und die bestehenden Mietvertragslaufzeiten eine große Rolle. Dadurch können wir einschätzen, ob sich durch auslaufende Mietverträge kurzfristig Anpassungsbedarf oder auch Anpassungspotenzial ergibt. Beides ist für uns wichtig.“

Was zeichnet eine solche nachhaltige Lage für Sie aus?

Joachim Mayer: „Das Shopping-Center muss an einem möglichst etablierten Handelsstandort liegen und der Kundenzugang muss möglichst über mehrere Verkehrsmittel gewährleistet sein. Ideal ist eine gute Anbindung mit dem Auto und dem öffentlichen Nahverkehr in Form von S-Bahn oder U-Bahn. Die Erreichbarkeit mit dem Bus spielt nur eine untergeordnete Rolle. Eine besonders nachhaltige Lage bieten in dieser Hinsicht die „Neukölln Arkaden“ in Berlin mit einer U-Bahn-Haltestelle direkt vor dem Center und das „MyZeil“ in Frankfurt, das in der Nähe der Hauptwache und damit an einem Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs liegt. Bei anderen Centern wie dem „Loop“ in Weiterstadt, die eher außerhalb liegen, ist der Zugang zum Center hingegen schon eher eine Herausforderung. Außerdem sehen wir uns natürlich auch immer das Umfeld an, welche Entwicklungspotenziale sich in der jeweiligen Stadt bieten und ob durch andere Center-Projekte in der Umgebung eine Konkurrenzsituation entstehen könnte.“

Achten Sie beim Kauf eines Shopping-Centers auch auf dessen Entwicklungspotenzial?

Joachim Mayer: „Im Rahmen unserer Due-Diligence-Prüfung sehen wir uns bei einer Investition in ein Shopping-Center immer auch an, wie man es weiterentwickeln kann oder welche zusätzlichen Wertschöpfungspotenziale es bietet. Da wir aber in der Regel fertige Center kaufen, haben wir zwar vor Augen, was ein Shopping-Center idealerweise mitbringen sollte, aber letztendlich müssen wir mit den Gegebenheiten klarkommen, die wir vorfinden. Wir befinden uns hier in einem relativ restriktiven planungsrechtlichen Umfeld, so dass es an die Substanz des Centers geht, wenn man über größere Umbauten nachdenkt. Wir sehen uns allerdings immer genau an, in welche Richtungen man mit dem Flächenbestand arbeiten kann. Das „MyZeil“ in Frankfurt, in das wir seit 2014 investiert sind, bot zum Beispiel räumliche Reserven, die es uns jetzt ermöglichen, über ein Kino im Obergeschoss nachzudenken. Das ist ein Baustein unseres Refurbishment-Konzepts, das wir dort umsetzen.“

Wie weit blicken Sie bei solchen strategischen Planungen für ein Shopping-Center in die Zukunft?

Joachim Mayer: „In unseren Immobilienfonds verwalten wir hauptsächlich das Geld von langfristig orientierten Kunden, daher ist auch der Zeithorizont, den wir bei einem Kauf betrachten, sehr lang. Wir investieren nicht in kurzfristige Entwicklungspotenziale. Kalkulatorisch betrachten wir in der Regel die nächsten 10 Jahre. Nach dieser Zeit muss auch ein möglicher Verkauf in Betracht gezogen werden können. Die Aufgabe ist daher auch, das Center während unseres Haltezeitraums in einem entsprechenden Zustand zu halten, so dass es für Dritte interessant ist und wir es zu einem für uns optimalen Preis wieder am Markt platzieren können. Das beinhaltet permanente Arbeit am Mietermix, dem Aussehen des Gebäudes und dessen Modernität. An all diesen Parametern können wir arbeiten. Aber die Substanz des Gebäudes zu ändern ist schwierig und mit erheblichen Investitionen verbunden. Da kommt man dann in den Bereich großer Refurbishment-Projekte. Es gibt Fälle, wie etwa das „MyZeil“, wo wir noch einmal erheblich in die Substanz investieren. Dabei handelt es sich aber eigentlich um eine absolute Ausnahme.“

Was sind die Gründe, dass Sie gerade in Frankfurt nicht vor einem Refurbishment-Projekt zurückschrecken?

Joachim Mayer: „Das „MyZeil“ bietet großes Potenzial, unterliegt aber auch den Herausforderungen des Strukturwandels. Daher nutzen wir jetzt die bestehenden Veränderungsmöglichkeiten, die wir im Rahmen der Due Diligence beim Ankauf bereits identifiziert haben, um die Aufenthaltsqualität und den Erlebniseffekt für die Besucher zu verbessern. Es gibt im „MyZeil“ zum Beispiel ein viertes Geschoss mit einer spektakulären Glasdecken-Konstruktion. Dieser Raum wurde bisher nicht adäquat genutzt und wird jetzt von uns intensiv umgebaut.“

Gibt es ein Shopping-Center, das Sie durch seine Zukunftsfähigkeit besonders beeindruckt hat?

Joachim Mayer: „Das Center in Berlin Neukölln, das wir ganz frisch gekauft haben, beinhaltet viele Aspekte, die ich sehr gut finde. Es bietet viele Potenzial durch das Kino und den Club auf dem Dach. Außerdem besteht die Möglichkeit, im Ladenbesatz etwas zu verändern, während gleichzeitig das Risiko eines zu großen Fashion Anteils reduziert ist. Bei anderen Centern würde ich eher daran arbeiten, den Fashion-Anteil zu verringern und Nicht-Fashion-Sortimente stärker in die Center zu bringen.“

Wie stehen deutsche Shopping-Center eigentlich im internationalen Vergleich da? Gibt es bei den Entwicklungen große Unterschiede zu anderen Ländern?

Joachim Mayer: „Die Entwicklung ist in anderen Ländern vergleichbar. Wir haben beispielsweise in Polen das Shopping-Center „Stary Browar“ gekauft, das ganz stark auf ähnliche Erlebnis-Aspekte setzt. Daneben sehen wird, dass sich auch andere Center im Ausland, die sich nicht in unserem Portfolio befinden, in die gleiche Richtung entwickeln.“

Immer häufiger findet man mittlerweile auch kleinere Shopping-Center in Wohngebieten? Sind die für Sie bei der Suche nach einem Investment auch interessant?

Joachim Mayer: „Wir schauen uns auch diese Entwicklungen an, aber das sind dann keine klassischen Shopping-Center mehr, sondern eher Nahversorgungszentren. In Düsseldorf haben wir eine Art Quartierszentrum gekauft, das in den oberen Stockwerken auch Praxen und Wohnungen enthält, und auch in Hamburg gehört uns ein kleines Stadtteil-Zentrum mit Stadtbücherei und Ladenpassage unten und Büros und Wohnungen darüber. Diese Objekte fallen für uns aber nicht mehr in die Kategorie Shopping-Center. Das sind gemischt genutzte Objekte mit einem Mix aus Einzelhandel, Wohnen und Büro. Aber auch die bieten aus meiner Sicht eine nachhaltige Funktion und Qualität, da sie einen starken Nahversorgungscharakter haben.“

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