DGNB-Experte Felix Jansen: Bei Nachhaltigkeit darf es nicht um die reine Abarbeitung einer Checkliste gehen
In der Immobilien-Fachwelt ist die Bedeutung des Themas „Nachhaltigkeit“ längst angekommen. Das wurde Anfang Oktober auf der Branchenmesse Expo Real in München deutlich. Fondsmanager analysieren interessante Gebäude vor einer Investition ganz selbstverständlich auf ihre Nachhaltigkeit hin, und bei einem Neubau wird meist gar nicht mehr darüber diskutiert, ob die Immobilie zertifiziert werden soll, sondern nur noch nach welchem System und von welchem Anbieter.
Während die DGNB 2008 auf der Expo Real mit diesem Thema noch belächelt wurde und ein Nischendasein führte, sieht es heute deutlich anders aus. Trotzdem sieht Jansen in der Branche noch Redebedarf. „Was vor zehn Jahren noch fehlte, war ein gemeinsames Verständnis für die Themen, die das nachhaltige Bauen in der Praxis letztlich ausmachen – für alle am Bau Beteiligten“, so Jansen. Um die zu schaffen, hat die DGNB einen Katalog mit rund 40 Kriterien definiert. Konzeptionell und inhaltlich hebt sich die DGNB dabei von anderen Zertifizierungssystemen ab.
Denn laut Felix Jansen geht es dem DGNB um ganzheitliche Qualität: „Das DGNB-System fußt auf einer ganzheitlichen Betrachtung von Nachhaltigkeit. Das heißt die Aspekte der Ökologie, Ökonomie und das Soziokulturelle werden gleichgewichtet betrachtet“. Anders als bei anderen Zertifizierungsanbietern, die einen rein maßnahmenorientierten Ansatz verfolgen und diesen auf jede Immobilie gleichermaßen anwenden, legen Jansen und die DGNB außerdem viel Wert auf eine kontextbezogene Umsetzung von Maßnahmen und die Betrachtung von deren positiver Wirkung auf die Gebäudeperformance. „Es darf für eine Zertifizierung nicht einfach eine Checkliste abgearbeitet werden“, findet Jansen. Denn der Bauvorgang sei komplex und dieser Komplexität müsse Rechnung getragen werden. Je nach Immobilie und Standort gebe es andere Anforderungen und daher müssten auch individuelle Wege gefunden werden, um herauszufinden, welche Auswirkungen man mit den jeweiligen Maßnahmen beim aktuellen Gebäude erzielen könne. „Wir betrachten in anderen Ländern immer die klimatischen, regulatorischen und sonstigen Bedingungen und passen dann das System so an, dass unser Ziel umgesetzt werden kann. Und das ist, bessere Gebäude zu bauen“, erklärt Jansen. Starre Systeme sieht er daher kritisch: „Es gibt in der Praxis viel zu oft die Suche nach der schnellen, einfachen Lösung, die dann mit einem Label an der Wand endet. Die Plakette sollte aber nur das Ergebnis eines erfolgreich durchlaufenen Prozesses sein und nicht das Ziel an sich.“
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Eine Bestätigung dafür, dass die Ansätze des DGNB nicht falsch sein können, liefern auch aktuelle Themen in der Diskussion um verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte. Momentan würden die Gesundheit und das „Wellbeing“ der Menschen als Bewohner einer Immobilie heiß diskutiert, so Jansen. Ein Thema, dass die DGNB von Beginn in ihr Zertifizierungssystem mit einfließen lässt. „Die Innenraumluftqualität, der thermische, visuelle und akustische Komfort waren für uns schon immer wichtig. Das kann aber unserer Auffassung nach nur integraler im Zusammenspiel mit anderen Nachhaltigkeitsaspekten betrachtet werden. Rein marketingtechnisch haben wir damit momentan fast einen Wettbewerbsnachteil, da andere das als Weltneuheit verkaufen, wir das aber immer schon gemacht haben“, scherzt der Experte.
In der Immobilienbranche hat sich bei vielen Aspekten aus dem Bereich „Nachhaltigkeit“ also einiges getan. Dennoch gibt es für Organisationen wie die DGNB noch viel zu tun: „Wir wollen für die Herausforderungen und Notwendigkeit einer nachhaltigen Bauweise sensibilisieren und die Chancen aufzuzeigen – und zwar nicht nur innerhalb der Fachöffentlichkeit. Wir wollen langfristig die gesamte Gesellschaft erreichen.“ Und gerade bei Wohnimmobilien gibt es momentan laut Jansen noch Nachholbedarf. Das Thema sei hier noch nicht so richtig angekommen. Das dürfte sich nach seiner Einschätzung allerdings auch in den nächsten Jahren ändern: „Wenn wir über die Zukunft reden, geht das nicht, ohne sich über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen. Das Umdenken setzt ein und wir werden sicher nicht müde, hier weiter aufzuklären.“
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